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Der Weihrauchbaum ist klimatisch wählerisch und von Natur aus wenig gesellig. Vor allem um das Arabische Meer und den Golf von Aden fühlt er sich wohl. Die Qualität des Weihrauchharzes ist abhängig von der Feuchtigkeit des Standorts. Das beste stammt meistens aus küstenfernen Regionen wie dem Hinterland von Salalah in Oman.

Foto: Corbis/Philip Lee Harvey

Bakhoor al-Ameen verkauft nichts als Weihrauch, ...

Foto: Helge Sobik

... Foziya al-Makami verarbeitet das Harz weiter zu Kosmetika.

Foto: Helge Sobik

Service

Anreise & Unterkunft

Anreise:  Flug mit Austrian / Lufthansa  via Frankfurt ab rund 550 Euro.
Unterkunft zum Beispiel das Shangri-la Barr al-Jissah Resort bei Maskat, je nach Reisezeit ab rund 110 Euro; oder das etwas einfachere Millenium Resort Mussanah, ab rund 60 Euro über Tui - jeweils pro Person im Doppelzimmer.

Weitere Infos: Omanisches Fremdenverkehrsamt.

Vom Autor dieses Beitrags ist der Band "Sand zu Gold, Wüste zu Geld" mit Reportagen aus der Region erschienen (Picus-Verlag Wien, 14,90 €).

Grafik: DER STANDARD

Schatten in langen Gewändern huschen durch das Halbdunkel, verschwinden in nur ein paar Quadratmeter großen Geschäften mit Regalen bis unter die Decke. An einer Ecke sind gerade Krummdolche im Angebot, gleich nebenan feilscht jemand um edle Stoffe. Es duftet süßlich, nach Zucker und starkem Tee, auch nach Tabak und orientalischen Gewürzen - und vor allem feierlich, irgendwie nach Kirche, nach Weihnachten. Auf Schritt und Tritt! Von draußen ruft derweil ein Muezzin aus der Nachbarschaft zum Gebet, und aus der Ferne fallen weitere in den Chor ein. Sein Minarett ist so unsichtbar wie er selbst, bleibt hinter Balkendecken und Buntglasscheiben des Al-Muttrah-Basars von Maskat verborgen.

Murtada Najwani tritt im langen weißen Gewand vor den Verkaufstisch von Bakhoor al-Ameen: Vier Kilo brauche er. Dringend. Er habe fast nichts mehr, der Vorrat zu Hause sei so gut wie aufgebraucht. "Gute Qualität, bitte", sagt er noch und zeigt auf einen ganz bestimmten Haufen: "Davon!" Al-Ameen nimmt die Schaufel, gräbt sie in einen Berg aus braun-gelben Steinchen, jeder einzelne anders geformt, alle hart und doch keiner wirklich steinern. Er legt sie auf die altertümliche Waage, jongliert mit den Gegengewichten, gräbt noch ein paar Mal in dem Haufen aus würfelgroßen unebenen Bröckerln und hat schließlich die vier Kilo beisammen. Murtada Najwani strahlt, zahlt und eilt mit zwei Plastiksackerln Ausbeute nach Hause.

Kokeln neben der Kassa

Was Bakhoor al-Ameen verkauft? Weihrauch. Nichts als Weihrauch. In dritter Generation im Geschäft der Familie mitten im Al-Muttrah-Souk der Hauptstadt des Oman. Seinen Arbeitstag lang sieht er nicht, wie das Wetter ist. Er plaudert, kassiert und telefoniert im Halbdunkel des gedeckten Basars. Ob die Sonne scheint? Höchstwahrscheinlich. Wie fast immer hier nahe der Südostspitze der Arabischen Halbinsel, keine hundert Meter vom Ufer des Indischen Ozeans. Auch kurz vor Weihnachten. Frühsommerlich warm ist es drinnen wie draußen - zwischen 20 und 25 Grad an den meisten Wintertagen. Was da in dem Schälchen neben der Kassa kokelt? Weihrauch natürlich.

Und was Murtada mit den vier Kilo will? Er verbrennt sie nach und nach, zusammen mit ein paar Stückchen Kohle, überall im Haus, in kleinen Schälchen. Er liebt dieses Aroma, kennt es von klein auf, verzichtet nur unterwegs auf diesen Geruch: "Er gehört hierher. Es ist wie mit deinem Garten. Den nimmst du auch nicht mit, wenn du verreist."

Früher wurde diese Substanz mit Gold aufgewogen, Europäer wussten lange nicht, ob das Material mineralischen oder pflanzlichen Ursprungs ist - und wo genau es herkam. Das Geheimnis um diesen Stoff machte ihn im Altertum wie im Mittelalter umso interessanter. Weihrauch war ihnen so kostbar, dass sie ihn Gottheiten und Herrschern vorbehielten - bei den alten Römern so wie schon zuvor auf der anderen Seite des Mittelmeers bei den Ägyptern. Später hielt Weihrauch Einzug in die Liturgie christlicher Gottesdienste: Wieder weil er so wertvoll war und deshalb für besonderen Zauber und für höchste Würden stand.

Wählerischer Weihrauch

Karawanen brauchten aus dem Süden der Arabischen Halbinsel 100 Tage durch die Wüste bis ans Mittelmeer, nur in klimatisch ganz besonderen Gebieten gedeiht der Weihrauchbaum überhaupt. Warm muss es sein, aber auch feucht. Es soll ab und zu nieseln, aber es darf nicht schütten. Im Süden des Oman im Hinterland von Salalah ist das der Fall, gut 1000 Kilometer entfernt von den Basaren der Hauptstadt. Außerdem im Jemen, in ein paar südwestlichen Winkeln Saudi-Arabiens und, was kaum bekannt ist, in Somalia. Es sind sogar Somalier, die heute im Weihrauchhandel führend sind.

Bei den vermeintlichen Steinchen handelt es sich um das hart gewordene Harz des Weihrauchbaumes, der kaum höher als zweieinhalb Meter wird, eine weit ausladende Krone entwickelt und im Schnitt zwischen drei und sieben Kilo Ertrag pro Jahr bietet. Dreimal binnen zwölf Monaten wird die Rinde angeritzt, und milchiges Harz quillt heraus, das bald erstarrt. Die dritte Ernte bietet jeweils die beste Qualität.

Dabei ist es der Überlieferung zufolge nicht ganz ungefährlich, Weihrauch zu ernten. Niemals sollte es ein einzelner Mann tun, niemals ohne zuvor gesungen zu haben, auf keinen Fall ohne ein Schälchen der Süßigkeit Halwa neben dem Baum abzustellen. Omaner gehen davon aus, dass unter jedem Weihrauchbaum ein Dämon wohnt, der besänftigt werden muss. Also kommen sie mit 25 Mann und fragen den Dämon in ihren Liedern, ob sie ernten dürfen. Das hat praktischen Nutzen: Die Legende half, die Bäume zu schützen. Denn die Angst vor dem Dämon hat jahrhundertelang Diebe abgehalten, heimlich zu ernten.

Keiner weiß, was der Dämon davon hält, was Foziya al-Makami mit den Weihrauchbrocken anstellt: Sie kocht die vermeintlichen Steine in ihrem Haus in Seeb bei Maskat, bis das Harz wieder flüssig wird, gibt Zucker dazu, trocknet die Substanz, mahlt sie dann und verkauft das Pulver als Duftstoff oder verarbeitet es weiter zu Kosmetik. Die Rezepte dafür hat sie von ihrer Mutter bekommen. Selbst hat sie fünf Töchter - von denen sich keine für diese Kunst interessiert. Die älteste arbeitet stattdessen bei einer Ölfirma. "Der Oman", sagt Foziya, "wandelt sich", und macht mit den hennabemalten Händen eine ratlose Geste.

Dabei hat Sultan Qabus, langjähriger Herrscher des Landes, die Bedeutung des Weihrauches erkannt - für den Export und für die Schlagzeilen: Auf Weihrauch-Basis ließ er "Amouage" entwickeln und als seinerzeit teuerstes Parfum der Welt auf den Markt bringen. Diesen leicht zu knackenden Rekord haben sich inzwischen andere geholt, "Amouage" gibt es immer noch.

Ob Weihrauch einen Effekt hat? Murtada Najwani, der Einkäufer der vier Kilo, zuckt mit den Schultern: "Man sagt, er nährt die Engel. Aber unabhängig davon: Er riecht ganz wunderbar und tötet Fliegen." (Helge Sobik, DER STANDARD, Rondo, 20.12.2013)