Der Schulweg von Zahira und ihren Freundinnen in Marokko.

Foto: Constantin Film

In Indien erzählt Regisseur Pascal Plisson die Geschichte von Samuel, der im Rollstuhl sitzt.

Foto: Constantin Film

Salome und ihr älterer Bruder Jackson auf ihrem Schulweg durch die kenianische Savanne.

Foto: Constantin Film

Die Sonne ist schon aufgegangen, als sich Zahira, zwölf Jahre, auf den Weg macht. Vier Stunden werden sie und zwei Freundinnen über steinige Gebirgspfade im Hohen Atlas in Marokko klettern müssen, bis sie endlich die Schule erreichen. "Wir hätten früher aufstehen sollen" ist das, was die Mädchen immer wieder sagen. Die Sorge, zu spät in die Schule zu kommen, treibt sie an - vor allem, als sich eine den Fuß verstaucht und nicht so schnell gehen kann.

"Auf dem Weg zur Schule" ist ein Dokumentarfilm, der uns daran erinnert, dass es ein Privileg ist, in die Schule zu gehen. Der französische Regisseur Pascal Plisson hat mit finanzieller Unterstützung der UNESCO zehn Kinder auf ihrem immer strapaziösen, mitunter sogar gefährlichen Schulweg begleitet. Dass darunter fünf Mädchen sind, ist löblich, gibt die Realität aber nicht wieder.

Schulpflicht gilt oft für Mädchen nicht

Laut dem Weltbildungsbericht der UNESCO von 2008, dem derzeit aktuellsten, besteht in 95 Prozent der Länder weltweit Schulpflicht. Leider manchmal nur auf dem Papier. Nur in 63 Prozent der Länder wird in der Grundschule zudem ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis erreicht, in der Sekundarstufe sind es dann sogar nur noch 37 Prozent der Länder, in der gleich viel Mädchen wie Buben in die Schule gehen dürfen.

Salome hat also Glück. Zwei Stunden laufen sie und ihr älterer Bruder Jackson durch die kenianische Savanne, um die nächstgelegene Dorfschule zu erreichen. Laufen ist hier durchaus wörtlich gemeint, dabei tragen die Kinder in Kanistern noch ihr Trinkwasser für den Tag sowie je einen Stock als Waffe und Feuerholz für die Schule mit sich. Der Weg ist gefährlich, immer wieder müssen sie Elefantenherden umgehen.

Vier Erzählstränge in 75 Minuten

Zwölf Drehtage hatte Plisson pro Land Zeit, neben Marokko und Kenia drehte er in Indien und Argentinien. Daraus entstanden pro Destination rund acht bis neun Stunden Filmmaterial, gedreht wurde zwischen Februar und Oktober 2012. Aus diesen vier Erzählsträngen wurde ein insgesamt nur 75 minütiger Film gemacht, der die Einzelbiografien zu einem Gesamtbild verdichtet.

In Patagonien begleitet Plisson Carlito, 11 Jahre, und seine Schwester Micaela, die den langen Schulweg nur zu Pferd bewältigen können. Michaela, so erfährt man, will einmal Lehrerin werden. Sie freut sich auf den Tag, an dem ihr Bruder auf die höhere Schule ins Internat gehen wird, denn dann darf sie endlich die Zügel übernehmen.

Sehr berührend ist die Geschichte von Samuel, 13, aus Indien, der auf Grund seiner Kinderlähmung im Rollstuhl sitzt. Er wird von seinen Brüdern jeden Tag durch tiefen Sand und ein Flussbett eineinhalb Stunden lang in die Schule geschoben. Was diese Kinder leisten, nötigt einem gewaltigen Respekt ab. Schade nur, dass der Film synchronisiert wurde. Auf Deutsch zum Beispiel mit schrecklichem Akzent – so muss Zahiras Großmutter das R übertrieben rollen und Micaelas Eltern sprechen Deutsch mit spanischem Akzent. Das wäre nicht nur nicht nötig gewesen, sondern ist störend und ärgerlich. (Tanja Paar, dieStandard.at, 18.12.2013)