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Die großartige US-Jazzsängerin Dianne Reeves (hier bei einem Auftritt von 2004).

Foto: Reuters

 Wien - Mit Dianne Reeves ist das so eine Sache: Man kennt sie als die Stimmgewaltigste, intonationsmäßig Makelloseste im Dreigestirn der großen afroamerikanischen Jazzsängerinnen der Gegenwart, das sie mit Cassandra Wilson und DeeDee Bridgewater bildet. Und dann legt sie immer wieder CDs vor, die an ihrem Geschmack zweifeln lassen: Dass die 57-Jährige aus Detroit im Rahmen ihres aktuellen Albums Beautiful Life Pop-Songs von Ani DiFranco bis Marvin Gaye thematisiert, weckt an sich die Neugierde; dass sich die neuen Lesarten in flachen, Smooth-Jazz-verdächtigen Remakes erschöpfen, lässt diese freilich rasch wieder erlahmen.

Auch im Wiener Konzerthaus blieben montags Fulminanz und Belanglosigkeit eng benachbart; dass auch letzteres auf hohem Niveau passierte, daran hatte die bestens eingespielte Band mit Pianist Peter Martin, Gitarrist Romero Lubambo, Bassist Reginald Veal und Drummer Terreon Gully ihren Anteil. Sie erdete etwa die hörenswert reharmonisierte Version des Fleetwood Mac-Hits Dreams, den Reeves zum Aufwärmen anstimmte. In Stormy Weather und dem textlos improvisierten Tango hingegen spielte die Sängerin ihre Qualitäten genüsslich aus: Ließ Reeves ersteren Song in wunderbarer Klarheit gleichsam zu sich selbst kommen, so startete sie in zweiterem zu einer improvisatorischen Tour de Force, wie man sie selten gehört hat, und in deren Rahmen sie ihre Stimme kraftvoll von dunklen Tiefen bis in ekstatische Höhen schraubte.

Das Publikum reagierte enthusiastisch - die Sängerin mit routinierter Glätte: Die weihnachtlichen Schmachtfetzen This Time of The Year und Let It Snow waren so ungefähr das vorletzte, was man sich in dieser Phase gewünscht hätte. Dianne Reeves, die Meisterin der Spannungsimplosion. Gänsehautmoment und Gemeinplatz, sie blieben bis zum letzten Song Geschwister.

Zum Abschluss spulte Reeves weitgehend ideenfrei Bob Marleys Waiting In Vain ab, um am Ende zu einer Coda anzuheben, in der sie in brillantem Sprechgesang nach Art eines Scat-Solos ihre Sidemen vorstellte. Noch nie hat man diesem obligaten Teil jedes Konzerts so gerne gelauscht. (Andreas Felber, DER STANDARD, 18.12.2013)