Zum ersten Mal in zwanzig Dienstjahren wird Michael Kogler die Weihnachtsfeier des Kanzlers verpassen: Statt im Bundeskanzleramt an der Seite von Werner Faymann (SPÖ) wird der Jurist der Rechtsabteilung des Bundeskanzleramtes vor dem Amt, auf dem Ballhausplatz, gegen dessen Politik demonstrieren. Dabei geht es ihm um die Einstellung, die die Regierung den Beamten gegenüber einnehme und die den schlechten Ruf der Berufsgruppe fördere. Das Geld sei dabei nebensächlich, sagt Kogler. "Mir geht es wunderbar. Und ich bin Realist, was Gehaltserhöhungen angeht." Dass einen aber zumindest der Arbeitgeber in der Öffentlichkeit nicht schlecht dastehen lasse, wie das jetzt der Fall sei, "ist nicht zu viel verlangt".

Ein paar Tausend Demonstranten weiter steht Hartmut Haller, Jurist im Innenministerium. Ihn stören die "lügenhaften Argumente der Regierung, die eine sachliche Debatte auf eine schiefe Ebene bringen". Beamte seien nicht gleich Beamte, von überbezahlten Staatsdienern könne keine Rede sein. Am Mittwoch Nachmittag stehen zumindest auf dem Platz zwischen Hofburg und Bundeskanzleramt die unterschiedlichen Berufsgruppen Seite an Seite, die unter dem Begriff Beamte firmieren: Juristen neben Krankenpflegern, Schulwarte neben Kindergartenpädagogen.

Sie alle demonstrieren gegen die stockenden Gehaltsverhandlungen. Drei Polizistinnen in Uniform etwa, die durch die Menge drängen und "das System nicht in Ordnung finden. Die Exekutive hat sich lange zurückgehalten, aber jetzt ist es genug." Es mangle an Anerkennung und ausreichender Bezahlung, sagen die drei, die ihre Namen nicht nennen möchten. Ob es komisch sei, einmal auf der anderen Seite einer Demonstration zu stehen? "Nein, wir genießen das", sagen sie und machen sich lächelnd auf den Weg zur Rednerbühne. Dort am Wort: Beamtenchef Fritz Neugebauer, gefeiert wie ein Star.

"Kein Lercherl"

Er genießt seinen Auftritt vor den 40.000 Demonstranten, "logistisch kein Lercherl". Aus ganz Österreich sind die Beamten angereist, 228 Busse parken auf dem Ring, der für Autos und Straßenbahnen gesperrt wurde. "Wir wissen schon gar nicht mehr, wohin damit", stöhnt ein Polizist vor dem Parlament, der Dienst versieht.

Einer von wenigen, denn im Gegensatz zu so manch anderen Demonstrationen hält sich die Exekutive zurück. Die meisten sitzen in ihren geheizten Bussen, statt in der Kälte zu stehen. Draußen hält die Demonstranten der Ärger warm. "Die Politik ist mutlos. Es wird versucht, die Beamten anzuprangern, weil geglaubt wird, hier kann man noch etwas wegnehmen", sagt ein Universitätsprofessor aus Wien. Die Haltung der Regierung gegenüber den Beamten zeuge von einer geringen Wertschätzung und mangelndem Respekt. Man habe das Gefühl, als müsse man sich rechtfertigen, ergänzt die Frau neben ihm.

Sie ist Richterin in Wien und befürchtet wegen des erzeugten schlechten Rufs vor allem einen negativen Effekt auf den beruflichen Nachwuchs.

Gewerkschaftsboss Fritz Neugebauer betont in seiner Rede, man werde weiterverhandeln, und richtet der Regierung einmal ganz deutlich aus: "Es wäre gescheit, ihr ziehts euch warm an!" Wen das Aufgebot an Beamten "nicht beeindruckt, der hat kein Herz". Der Polizist vor dem Parlament seufzt. "Mir ist die Demo ja egal", sagt er. "Ich will nur wohin, wo es warm ist." (Saskia Jungnikl, DER STANDARD, 19.12.2013)

Der Ring war von 12 Uhr bis zum späten Nachmittag gesperrt ...

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... und wurde zum Parkplatz umfunktioniert.

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Von Vorarlberg bis zum Neusiedler See: Aus allen Bundesländern reisten Demonstranten an.

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Franz Redl, Betriebsratvorsitzender und Lehrer an der Allgemeinen Gesundheits- und Krankenpflegeschule des Landesklinikums Zwettl, hat seine Schülerinnen mitgenommen.

"Es soll wieder nur ein lächerliches Prozent geben, das ist einfach nicht okay", sagt Manfred Buchinger vom Magistrat Linz. Er ärgert sich darüber, dass die Politiker eine Gehaltserhöhung von 1,6 Prozent genehmigt haben.

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Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst rüstete die Demonstranten mit Schals aus.

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Gottfried Horvath, Beamter aus Linz, verlangt eine Inflationsabgeltung, wie sie andere Berufsgruppen auch bekommen haben.

Ein Erinnerungsbild auf dem Ring.

Foto: Der Standard/Fischer

"Sie werden keine Lehrer mehr finden, die werden zu den Fachhochschulen ausweichen", glaubt Gerald Lechner, Direktor an der Handelsakademie in Neunkirchen. Er demonstriert gegen das neue Lehrerdienstrecht.

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Am frühen Nachmittag war der Platz vor dem Bundeskanzleramt gut gefüllt. Rote Trillerpfeifen wurden verteilt. Raumpfleger, Lehrer, Berufsrettung, Krankenschwestern, Finanzbeamte - sämtliche Berufsgruppen waren vertreten. Auch Schülerinnen einer Krankenschwesternschule waren dabei. Sie demonstrieren schon vorsorglich für mehr Gehalt.

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Irmgard Reiter vom Landeskrankenhaus Kirchdorf will einen gerechteren Lohn für die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Sie seien "fleißig" und würden "24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr" arbeiten.

Trillerpfeifen und Protestrufe: Im Hintergrund spielt es "Eye of the Tiger". Eine Demonstrantin fragt: "Ist des die Auftrittsmusik vom Fritzl (Anm.: Neugebauer)?"

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Auch die Berufsrettung der Stadt Wien hofft auf eine Gehaltserhöhung.

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"Das derzeitige Dienstrecht ist eine Demontage unseres Berufswesens", kritisiert dieser Lehrer an einer Berufsbildenden höheren Schule in Neunkirchen, Niederösterreich. Harald Hirz macht sich Sorgen um die Qualifikation der Lehrer, die künftig unterrichten dürfen.

Die Demonstranten unterhalten sich über die neue Regierung und zitieren Otto von Bismarck: "Mit guten Beamten und schlechten Gesetzen kann man arbeiten, aber bei schlechten Beamten helfen die besten Gesetze nicht." 

Bisher habe die Regierung noch immer Verständnis gezeigt, diesmal wolle sie aber nicht nachgeben.

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"Wir demonstrieren gegen das neue Dienstrecht", erklärt Wolfram Dörfler, Lehrer am Gymnasium in Hartberg in der Steiermark. Das Dienstrecht bringe auch pädagogische Nachteile.

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300 Busse haben Demonstranten nach Wien gebracht, die sich lautstark vorm Bundeskanzleramt bemerkbar machen. Die Dame im Bild repräsentiert die Schulwarte.

Feuerwehr, Schulwarte und Kindergartenassistentinnen werden einzeln begrüßt: Eine Kindergartenassistentin verdient nach 24 Dienstjahren netto 1325 Euro. "Ohne uns geht's nicht."

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Dieser Mitarbeiter des Magistrats in Linz wünscht sich, dass nicht immer nur von Beamten gesprochen wird. "In Linz sind nur 17 Prozent der öffentlich Bediensteten Beamte", erklärt er.

Eine Polizistin sagt: "Mein Kolleginnen leisten 365 Tage im Jahr bei jedem Wetter exzellente Arbeit für die Österreicher. Erschreckend, dass die Bundesregierung nicht daran denkt, den Bediensteten die Inflation abzugelten. Pfui! Pfui! Wir brauchen keine Sonntagsredner. Die angebotene Gehaltserhöhung bedeuten für Polizeischüler 17 Euro brutto im Monat. So eine Demütigung werden die Polizisten nicht hinnehmen."

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Tosenden Applaus gab es für Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer. Unter den Demo-Teilnehmerinnen begrüßte er auch die SPÖ-Abgeordnete Sabine Oberhauser und FCG-Chef Norbert Schnedl.

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Christian Meidlinger, Chef der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, ließ die Demoteilnehmer zuerst ihren Unmut kundtun: Lautes Pfeifkonzert. Meidlinger, der auch SP-Abgeordneter im Wiener Gemeinderat ist: "So wie die Regierung mit uns umgeht, das habt ihr nicht verdient. Man wollte von uns, dass wir unterschreiben, dass wir auch in den nächsten Jahren unter der Inflationsrate abschließen." Puuuuu! "Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen. Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren. Wir haben diese Krise nicht verursacht. Wir wollen für unsere Kollegen gemeinsam kämpfen". Johlen. "Es gibt viele Politiker, die meinen, die Inflation steht uns zu. Wir stehen rund um die Uhr für Verhandlungen zur Verfügung."

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Zaungäste im Bundeskanzleramt

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"40.000 Menschen sind heute da. Das ist logistisch kein Lercherl! Österreich ist nicht abgesandelt. Wir sind stolz auf unsere Heimat. Wen das nicht beeindruckt, der hat kein Herz. Wir werden weiterverhandeln." Für "sinnvolle Reformen stehen wir zur Verfügung", sagte Neugebauer außerdem, aber: "Reform ist heute eine Drohung geworden", man würde sich inzwischen dabei als Erstes besorgt an die Brieftasche greifen, meinte er. Auch für eine Personalaufstockung bei den Finanzbeamten machte sich Neugebauer stark. Mit Streik wurde nicht gedroht. (burg, mvu, derStandard.at, 18.12.2013)

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