Wien - Richter und Staatsanwälte appellieren an Justizminister Dieter Böhmdorfer (F), Reformvorschläge endlich zu realisieren, um die personell angespannte Situation bei den Gerichten lindern zu können. Möglich wären einfachere Prozessverfahren, bei Verkehrsunfällen könnten Schiedsstellen die Gerichte entlasten, auch würden Einsparungen in der "aufgeblähten" Ministerialverwaltung Ressourcen zu Gunsten der Rechtssprechung frei machen. Diese Maßnahmen könnten die angespannte Situation bei den Gerichten aber nur lindern - die Richter und Staatsanwälte bleiben bei ihrer Forderung nach mehr Personal.

Barbara Helige, Präsidentin der Vereinigung der Österreichischen Richter, und Klaus Schröder, Vorsitzender der Bundessektion Richter und Staatsanwälte, kritisieren nach wie vor den steten Personalabbau in der Justiz. Böhmdorfer setze keinerlei Maßnahmen, diese Problematik zu entschärfen. Vielmehr seien allein in den letzten Wochen Gesetzesinitiativen vorgestellt worden, die zu einer Ausweitung der Anrufmöglichkeiten der Gerichte führten und damit eine weitere erhebliche Mehrbelastung der Gerichte bewirkten - Beispiel Heimaufenthaltsgesetz, Privatsphäreschutzgesetz, Nachbarschaftsgesetz. Im Bereich des Strafrechts habe das erhebliche Ansteigen der Kriminalitätsrate selbstverständlich auch zu einer dramatischen Belastungssteigerung der Gerichte und Staatsanwaltschaften geführt.

Konkrete Vorschläge der Richter und Staatsanwälte, die, ihrer Meinung nach, ohne Verlust von Rechtsschutz realisiert werden könnten: Einfachere Protokolle im Strafrecht und einfachere schriftliche Urteile; Überlegungen, ob im Strafverfahren ein zweiter Berufsrichter als Beisitzer notwendig ist; Schöffensenat im Finanzstrafverfahren durch Einzelrichterverfahren ersetzen; einfachere Bestimmungen über Kostenberechnung im Zivilverfahren; Ausdehnung der Zuständigkeit der Rechtspfleger in verschiedenen Verfahren. Eine bereits alte Forderung ist die Verlagerung des Verlassenschaftsverfahrens zum Notar, solange es keinen Streit gibt.

Und, ein weiterer Vorschlag: Die Möglichkeit der Besitzstörungsverfahren sollte eingeschränkt werden. So ist es vorgekommen, dass ein Ehegatte den anderen klagt, weil dieser einen (!) Kriminalroman versteckt hat.

Böhmdorfer solle jedenfalls für ausreichend Personal sorgen, um zu verhindern, dass durch das beschlossene Budget der ordentliche Gang der Gerichtsbarkeit nicht mehr gewährleistet werden könne, so Helige und Schröder. (APA)