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Nicht nur Schüler leisten gegen die Zentralmatura auf der Staße Widerstand. Auch viele österreichische Autoren zeigen sich über die vorliegenden Pläne empört.

Foto: apa/Schlager

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Ludwig Laher: Verteidigungsstrategie des Bifie ist Teil des Problems.

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Das Pferd, auf dem ich reite, ist nicht tot, ganz im Gegenteil. Es ist auch nicht, wie Susanne Reif-Breitwieser suggeriert (Der Standard, 23. 12. 2013), mein privates Steckenpferd. Das wird eine für den Jänner terminisierte öffentliche Stellungnahme der IG Autorinnen Autoren zum Thema Zentralmatura Deutsch, die von zahlreichen namhaften Expertinnen und Experten getragen und unterzeichnet sein wird, wieder einmal beweisen.

Reif-Breitwieser hat der Sache aber einen großen Dienst erwiesen. Sie hat unfreiwillig demonstriert, wie das Bifie mit kritischen Einwänden umzugehen pflegt, nämlich, um bei der Metapher zu bleiben, vom hohen Ross aus.

Also: Natürlich kann ich alles, was ich geschrieben habe ("Ich frage mich" im ALBUM vom 14. 12. 2013) belegen. Die ad personam vorgetragenen Vorwürfe sind haltlos. Natürlich ist die von Reif-Breitwieser in dankenswerter Weise selbst als schlecht und den Standards nicht entsprechend charakterisierte Aufgabenstellung zu Arno Geigers Der alte König in seinem Exil ein Originalbeispiel eines ausdrücklich so bezeichneten Matura-Musterthemenpaketes. Vom Bifie haben wir es freilich nicht erhalten, sondern von BHS-Lehrern, die sich entgeistert an die IG Autorinnen Autoren wandten, weil sie 2012 bei einer offiziellen Fortbildungsveranstaltung des Unterrichtsministeriums damit konfrontiert wurden. Die Aufgabe, von einer Dame vorgestellt, die nach eigenen schriftlichen Angaben Mitglied des Leitungsteams Neue Reifeprüfung war, liegt uns im Original vor, es gibt Zeugen. Dass Musterbeispiele, womöglich wegen heftiger Kritik, derzeit nicht verwendet werden oder von der Bifie-Website genommen wurden, macht sie nicht ungeschehen. Die IG Autorinnen Autoren hat sie gesammelt, und sie sind es wert, thematisiert zu werden.

Tatsächlich bezieht sich meine Kritik der irritierend geringen Wörteranzahl (270-330) für eine Untersuchung des Titels, Inhalts, Aufbaus und der dargestellten Welt, eine Analyse typischer sprachlicher Merkmale sowie Hypothesen zur möglichen Intention auf einen Liedtext aus der Probeklausur 2013. Dies sei keine literarische Themenstellung, dekretiert Reif-Breitwieser jetzt und bezichtigt mich ungenauer Recherche sowie eines verzerrten Bildes. Das überrascht aus zwei Gründen: Erstens gibt es in den Aufgabenpaketen der Probematura sonst keine Aufgabe zur Literatur, was aber der Fall sein müsste, und zweitens sind die Liedtexte Ludwig Hirschs selbstverständlich literarische Hervorbringungen.

Je von Schiller gehört?

Übrigens: Bei einer Fachkonferenz, an der Kritiker wie Befürworter der neuen Matura teilnahmen, wurde 2012 garantiert, das Bifie würde jeweils substanzielles Material zu den Autoren beisteuern, weil ja nicht mehr vorausgesetzt werden kann, dass Schüler je von Schiller und Schnitzler gehört haben. Eineinhalb bis zweieinhalb dürre Zeilen zu Eichendorff und Kafka mussten für Maturanten 2013 reichen, zu Ludwig Hirsch im Beispiel oben gab es keinen einzigen Satz. Auf diesen Vorhalt geht Reif-Breitwieser mit keinem Wort ein.

Dass die Meinungsfreiheit der Schüler bei allen Aufgabenstellungen des Bifie gewahrt bleibt, ist eine kühne, leicht widerlegbare Behauptung. Das Geiger-Beispiel ist nur eines von mehreren für die Praxis des Bifie und der von ihm beschäftigten Themenbastler, Reife dadurch festzustellen, dass Jugendliche zwangsweise Positionen vertreten müssen, die womöglich nicht die ihren sind.

Hier ein bezeichnendes zweites, auf der Bifie-Homepage nachlesbar: Wer bei der offiziellen zentralen Deutschmatura für Versuchsschulen heuer das literarische Thema wählen wollte, musste wohl oder übel auch eine zweite Aufgabenstellung erledigen, die fix mit jener zur Literatur gekoppelt war.

Es galt zunächst, einen Zeitungsartikel zu studieren, der aus Sicht des Konsumentenschutzes die bedenkliche Praxis mancher All-inclusive-Maturareiseanbieter aufzeigte, durch Spenden für Maturabälle frühe Fixbuchungen zu erwirken, problematische Vertragsklauseln zur Mindestteilnehmeranzahl und den Mindestkosten inbegriffen. Im Namen eines derart kritisierten Unternehmens war sodann ein Kommentar zu verfassen, der die Branche verteidigte. Angebliche Suggestivformulierungen des Artikels, durch die Anbieter in ein schiefes Licht gesetzt wurden, hatte man dabei verpflichtend herauszuarbeiten. Nur: Solche sind im Originalbericht nach meiner Meinung, die gut und gern auch die Meinung mancher Maturanten sein könnte, kaum zu finden. Und doch mussten diese in der Zwangsrolle eines Unternehmenssprechers aus der Reisebranche eine vorgegebene, kaum belegbare Position vertreten. Das nenne ich praxisnahe Vorbereitung auf die Berufswelt, wo man oft genug genötigt ist, gegen persönliche Überzeugungen zu argumentieren, weil es einem angeschafft wird.

Ich stehe für meinen Text "Welche Reife prüft sie?" ein. Ich habe kein Wort zurückzunehmen. Im Gegenteil: Es gäbe zu Reif-Breitwiesers Einlassungen noch viel zu sagen, wofür hier der Platz fehlt. Nur so viel: Ihre Diktion ist obrigkeitsstaatlich, ihre Argumentation verfehlt die Themen meiner Intervention oder arbeitet mit leicht widerlegbaren Schutzbehauptungen. Meine Recherche war sorgfältig, mein Pferd lebt. Und das hohe Ross des Bifie? (Ludwig Laher, DER STANDARD, 2.1.2014)