Die Schau im Musa beschert selten Gesehenes von guten Bekannten wie Franz West: Otto Kobalek posiert 1975 vor der Kamera von Friedl Kubelka mit einem Passstück von Franz West.

Foto: Kubelka, Musa

Wien - Von gesundem Optimismus ist die Redensart "Beim Reden kommen die Leut zam" getragen. Ein Gedanke, dem auch der Künstler Hubert Pfaffenbichler (er nannte sich "El Hombre") in seiner Urwiener-Kaffeehaus-Diplomatie folgte: Seine Collagen huldigten dieser Wiener Institution und servierten zum Kleinen Braunen etwa statt Guglhupf Stahlhelm: Ein Blatt, das den Titel Die politische Verantwortung als Künstler trägt. Das Bild eines roten T-Shirts heißt hingegen Ich werde nie schweigen.

In der Ausstellung Die siebziger Jahre. Expansion der Wiener Kunst im Musa verweisen Pfaffenbichlers Arbeiten sehr deutlich auf österreichische Themen jener Zeit. Auch das ökologische Bewusstsein, das nach Jahren euphorischen Fortschrittsglaubens erwacht war, lässt sich greifen: etwa in Ingeborg Strobls Zeichnung einer Löwin, die gefesselt in einer Steinwüste nach dem letzten grünen Zweig lechzt. Den halluzinogenen Rauch des zeitgeistigen Jahrzehnts verströmt auch Curt Stenverts Die erste Hippie Situation. Träume mit dem Falken jagen, die den reitenden Helden durch einen grellbunten, in den Dimensionen monströsen Blumen-Dschungel reisen lässt.

Obwohl da und dort die Atmosphäre jener Zeit durchschimmert, ist die Schau, die aus insgesamt 2.200 Ankäufen auswählen musste, doch eher ein Best-of geworden. Ordnung geben nach formalen Kriterien gefundene Kapitel wie etwa "Neue Wilde", "Neue Medien", "Feministische Kunst". Für den Nachgeborenen ist das zu wenig, um die präsentierte Kunst als Ausdruck und Resultat ihrer gesellschaftspolitischen Kontexte zu verstehen. Das vermag auch der Katalog, ein 560 Seiten starker Wälzer, nicht auszugleichen: Die Chronologie bezieht sich auf Wiener Ereignisse, die sich eher selten - etwa beim Opec-Anschlag 1975 - mit Weltpolitik überschneiden. Der Reflexionshorizont der Wiener Künstler war aber sehr wohl international.

Vielmehr breitet man dort die Bemühungen der Sozialdemokratie in der Ära Kreisky (etwa unter Kulturminister Sinowatz) aus. Für das Gegengewicht zum Lob sorgt Autor Erich Klein: "Im Lauf des Jahrzehnts sollte sich immer wieder zeigen, wie schwer sich die Sozialisten mit dem anarchistischen Potenzial von Hippies und sexueller Revolution (...) taten." (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 2.1.2014)