Nach seinem Tod wurde Eisbär Knut präpariert und ist nun als Dermoplastik im Berliner Museum für Naturkunde zu sehen.

Foto: Steven Seet/IZW

Berlin - In Erinnerung ist der 2011 im Zoologischen Garten Berlin gestorbene Eisbär Knut in erster Linie als Medienphänomen geblieben. Eines zudem, das für zoologisch Interessierte in seinen alles in den Schatten stellenden Ausmaßen nicht unbedingt nachvollziehbar war: Weder gehörte Knut einer sonderlich exotischen Spezies an, noch ist die Handaufzucht von Zootieren, deren Mütter gestorben sind oder den Nachwuchs nicht akzeptiert haben, eine Seltenheit.

Die Sonderstellung von Knut hat jedoch auch zu Erkenntnissen geführt, die für die Wissenschaft interessant sind. Denn nachdem der an Enzephalitis erkrankte Knut im Wassergraben seines Geheges ertrunken war, fanden die umfangreichsten Untersuchungen statt, die es je in der Veterinärmedizin für ein einzelnes Tier gegeben hat, wie der Forschungsverbund Berlin berichtet. 

Beispiellose Anstrengungen

Bei Knut bündelten mehrere Forschergruppen ihre Kompetenzen, um der Todesursache auf den Grund zu gehen: das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), das Friedrich-Löffler-Institut auf der Insel Riems, das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, die Freie Universität Berlin, die University of California in San Francisco und viele andere. Klassische medizinische Methoden wurden mit Hochdurchsatz-Sequenzierung kombiniert, um die jemals umfangreichste und vollständigste Auswertung der Todesursache eines Zootieres durchzuführen.

Zootiere sind nicht nur den Erregern ausgesetzt, die in der Gegend des Zoos verbreitet sind, sondern auch denen, die in anderen Zootieren vorkommen - entsprechend groß sind die Herausforderungen für die Diagnose. Enzephalitis kann durch verschiedene Viren, Bakterien oder Parasiten ausgelöst werden. Bei Knut hat das Forscherteam die DNA-Sequenzen von Erregern im zweistelligen Millionenbereich überprüft.

Alex Greenwood, Leiter der IZW-Abteilung Wildtierkrankheiten, sagt: "Die schiere Anzahl der Experimente und deren Auswertungen durch viele der führenden Diagnostik-Gruppen in Deutschland und weltweit haben extrem viel Zeit gekostet, sie haben uns aber auch Erkenntnisse darüber geliefert, was wir mit den neuesten Technologien leisten können und was nicht. Viele neue Richtungen für Verbesserungen und Entwicklungen werden sich daraus ergeben."

Ernüchterndes Ergebnis

Obwohl es vielfach verdächtigt wurde, ist das Pferde-Herpesvirus nicht schuld an Knuts Tod. Dieses Virus ist in anderen Eisbären in deutschen und anderen Zoos gefunden worden, aber nicht bei Knut. Die Analyse von Knut deckte dafür eine neue Gruppe von Retroviren in Bären auf. Auch die haben allerdings nicht zu seinem Tod geführt. Der einzige Erreger, dem Knut anscheinend ausgesetzt war, war ein Influenza-A-Virus – entsprechende Antikörper befanden sich im Blut.

Es ist aber laut Forschungsverbund relativ unwahrscheinlich, dass die Grippe für Knuts Tod verantwortlich war, da das Virus nicht in seinem Gehirn entdeckt wurde. Klaus Osterrieder, Direktor des Instituts für Virologie am Fachbereich Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin, bemerkt: "Nach so viel harter Arbeit erscheinen die Resultate letztendlich ernüchternd. Wir können das Influenza-Virus nicht für den Tod von Knut verantwortlich machen."

Die Untersuchungen führten aber zu neuen wissenschaftliche Methoden und Erkenntnissen, die neben der Forschung auch für das Krankheits-Management von Zootieren bedeutend sind. Und damit für den Artenschutz, denn Zoos können eine wichtige Rolle für den Erhalt und die Nachzucht gefährdeter Spezies spielen. Unter anderem wurde auch eine Forschungs-"Pipeline" entwickelt, um bei Krankheitsausbrüchen bei Zoo- und Wildtieren frühzeitig die Erreger zu identifizieren. (red, derStandard.at, 3. 1. 2014)