Der Zug ist abgefahren, von österreichweit 1000 Polizeiinspektionen sollen 100 geschlossen werden. Aber für eine ÖBB-Lok im Polizeidesign sei genug Geld da, ätzen blaue Gewerkschafter.

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Wien - Seit die Regierungsverhandler von SPÖ und ÖVP Ende November durchsickern ließen, dass das Innenministerium mit der Sperrstunde für rund 100 Polizeiinspektionen in Österreich sein Schärflein zum staatlichen Sparkurs beitragen muss, dreht sich alles um die Liste. Die Liste mit den betroffenen Dienststellen. Die gibt es aber noch gar nicht, wie Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck am Freitag auf Anfrage des STANDARD versicherte.

Der dramaturgische Trommelwirbel ist vorerst auf den 13. Jänner ausgerichtet. Dann werde Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) "die Führungskräfte der Exekutive über ihre zukünftigen Arbeitsschwerpunkte und Projektaufträge informieren", wie es offiziell heißt. Das Projekt trägt den Titel "Moderne Polizei".

Landesweit rund 1000 Polizeidienststellen

Inoffiziell freilich kursieren längst Listen mit "bedrohten" Polizeiinspektionen. Mank in Niederösterreich wird genauso genannt wie die Neuwaldegger Straße in Wien-Hernals oder, laut "Heute", auch die Inspektion am Schubertring am Rande der Wiener Innenstadt. Derzeit gibt es landesweit rund 1000 Polizeidienststellen. Erst vor zwei Jahren sind 30 geschlossen worden, die meisten davon wegen der längst weggefallenen EU-Außengrenze in Niederösterreich und im Burgenland.

Für erfahrene Polizeibeamte ist "Moderne Polizei" nur die logische Fortführung der 2005 begonnenen Reform. Bisher wurden hauptsächlich die Führungsetagen abgespeckt und neu aufgestellt, "jetzt folgt das Fußvolk" , wie es ein Beamter ausdrückt. Klar ist, dass bei 100 Schließungen für dann 100 Ex-Kommandanten und, wenn vorhanden, deren Stellvertreter adäquate Posten gefunden werden müssen.

Auch die Gewerkschaft stellt eher die Personalfrage in den Vordergrund und nicht so sehr die Schließung von manchen Inspektionen, die ohnehin nur mehr von ein bis zwei Beamten bewacht werden - und das auch nur mehr tagsüber. Polizeigewerkschafter Hermann Greylinger von der SP-nahen FSG befürchtet durch die Schließungen von Dienststellen einen "schleichenden Personalabbau". Was das Innenministerium aber vehement zurückweist. Dem Argument, dass durch die Schließung die Präsenz der Exekutive auf der Straße erhöht würde, kann sich Greylinger ebenfalls nicht anschließen. Dieser Effekt sei bereits bei anderen Maßnahmen, etwa bei der Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie, versprochen - und nie eingehalten - worden.

Protest und Intervention

Widerstand kommt auch aus der politischen Opposition: Die FPÖ kündigte am Freitag eine Unterschriftenaktion gegen den "unverantwortlichen sicherheitspolitischen Kahlschlag" an. Zu erwarten ist außerdem, dass nach den Weihnachtsferien auch Landeshauptleute eher skeptisch auf Mikl-Leitners Sperrstundenaktion reagieren werden.

In Wien haben zuletzt vor nicht einmal einem Jahr politische Interventionen die damals geplante Schließung von zwanzig Inspektionen in den Nachtstunden verhindert. Da aber in der Bundeshauptstadt erst 2015 wieder Landtags- und Gemeinderatswahl stattfinden, könnte sich der Protest aus dem Rathaus heuer noch in Grenzen halten. (Michael Simoner, DER STANDARD, 4./5.1.2014)