Sprechen quasi mit einer Zunge: Klaus Werner-Lobo (Grüne) und Ernst Woller (SPÖ)

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Wien - Die vorweihnachtliche Frohbotschaft erzürnte so manchen Kunstschaffenden: Die Stadt billigte den Vereinigten Bühnen Wien eine Subventionserhöhung um respektable 13,2 Prozent zu. Die VBW erhalten 37,1 Millionen Euro (wie 2013) und für 2014 und 2015 zusätzlich 4,9 Millionen.

Der Konzern bespielt drei größere Häuser, das Theater an der Wien mit Oper sowie das Ronacher und das Raimund-Theater mit Musical. Von den nun 42 Millionen fließt die Hälfte in das Theater an der Wien; aufgrund der hohen Reputation des Hauses steht diese Summe außer Streit.

Es geht wie auch bei den Debatten in der Vergangenheit um das Musical. Die Grünen kritisierten, als sie noch nicht der Juniorpartner in der Regierung waren, die Ausgaben. Überall sonst würde das Musical ohne Geld der öffentlichen Hand auskommen - und mitunter Gewinne abwerfen.

Bereits im Jahr 2008 wurden die VBW beauftragt, "nachhaltige Reformschritte" zu setzen. Die Stadt kürzte in mehreren Schritten die Subvention von 42 auf 37,1 Millionen. Das ging gut, solange die VBW von Rücklagen zehren konnte. Zudem gab es zwei Jahre mit Rekordeinnahmen. Doch dann agierte man zu blauäugig: Das dümmliche US-Musical Natürlich blond, das bis Ende Dezember zu sehen war, wurde vom Publikum nicht angenommen. Offiziell ist von einer 63-prozentigen Auslastung die Rede; doch es wurden Vorstellungen abgesagt, und Ernst Woller, Kultursprecher der Wiener SPÖ, meint, dass weniger als 40 Prozent der möglichen Karteneinnahmen erzielt wurden.

Die Stadt verzichtet gütig darauf, dass jemand die Verantwortung übernimmt. Die 4,9 Millionen Euro zusätzlich sind lediglich mit einer Auflage verknüpft: Generaldirektor Thomas Drozda hat ein "Zukunftskonzept" zu erarbeiten, das eine neuerliche Subventionsreduktion ab 2016 "gewährleistet". Das Papier müsse im ersten Quartal 2014 ausgearbeitet sein, werde danach beurteilt und solle noch heuer "auf den Weg gebracht werden", so der grüne Kultursprecher Klaus Werner-Lobo.

Mitschuld an der Misere hat die Stadt Wien. Es ist hinlänglich bekannt, dass sich Musical in Häusern mit rund 1000 Sitzplätzen nie rechnen kann. Dennoch wurde das Ronacher vor wenigen Jahren zu einer Hightechbühne aufgerüstet. Auch das Raimundtheater ist nicht wesentlich größer.

"Dritter Mann", drittes Haus

Um das Gebiet rund um den neuen Hauptbahnhof nicht zu einer kulturellen Wüstenei werden zu lassen, entstand nun die Idee, dort eine große Musicalbühne zu errichten. Die Kosten hiefür soll ein privater Investor übernehmen. Generaldirektor Drozda bekundete gleich einmal Interesse. In News sagte er, er halte eine neue Spielstätte mit 1600 bis 1800 Plätzen "für wichtig".

Bis März soll das Projekt durchgerechnet sein, dann könnte ein Architekturwettbewerb ausgelobt werden. Idealerweise würde man schon ab 2017 Musicals wie den bereits konzipierten Dritten Mann anbieten. In einem zweiten Haus - Ronacher oder Raimund-Theater - sollen für je zwei bis vier Monate Klassiker wie West Side Story gezeigt, anschließend mithilfe anderer Veranstalter auf Tournee geschickt oder weiterverkauft werden. Und die dritte Bühne könne in einer Kombination aus Vermietung und Eigenproduktion bespielt werden. Nur an Schließung, so Drozda, wäre nicht zu denken.

Die Kultursprecher Woller und Werner-Lobo waren über Drozdas Vorstoß gelinde gesagt erstaunt. Denn es geht nicht um eine Ausweitung des Geschäftsfeldes, ganz im Gegenteil: "Die Stadt will den Subventionsbedarf ab 2016 deutlich reduzieren, und zwar auf maximal 37 Millionen Euro."

Fast nur mehr Mainstream

Selbst Woller, der das subventionierte Musical verteidigt, sieht vieles im Argen. Nach Cats und der Etablierung der Musicalstadt Wien kam es zu einigen höchst erfolgreichen Eigenproduktionen, darunter Elisabeth und Tanz der Vampire. Durch den Verkauf dieser Musicals konnten die VBW etliche Millionen Euro lukrieren. Rebecca, die letzte große Produktion, liegt allerdings schon gut sieben Jahre zurück: "Wir haben nun das Problem, dass wir allmählich nichts mehr zu verkaufen haben. Wir sind immer mehr gezwungen, Produktionen einzukaufen."

In den vergangenen Jahren gab es fast nur Lizenzmusicals zu sehen - von Ich war noch niemals in New York bis zu Sister Act und Natürlich blond. In der Not, so Woller, hätten die VBW nun auch Mamma Mia! von Stage Entertainment einkaufen müssen. Das Abba-Musical wird ab 19. März gezeigt. Im Herbst werde wahrscheinlich Mary Poppins folgen. So dürfe es aber nicht weitergehen: Nötig sei, meint Werner-Lobo, "ein wirklicher Umbau, eine echte Neukonzeption". Woller verlangt sogar "eine fundamentale Neuausrichtung der Musicalsparte".

Die beiden plädieren für ein subventionsfrei betriebenes Musicalhaus (" am besten am Hauptbahnhof"), in dem die großen internationalen Produktionen von Der König der Löwen bis Tarzan gezeigt werden. Wer dieses Haus bespielt, ist Woller egal, gern auch in Kooperation mit den VBW.

Im Raimund-Theater sollen die risikoreichen Eigenproduktionen mit Wiener Stoffen wie Schikaneder oder Lumpazivagabundus zu sehen sein: "Für das Kerngeschäft der VBW wird es selbstverständlich Förderungen geben", sagt Woller. Das trifft sich mit den Vorstellungen von Werner-Lobo: Seiner Meinung nach sollten sich die VBW auf "innovative, zeitgemäße Produktionen" beschränken - und Mainstreamproduktionen fürderhin gar nicht mehr anbieten.

Und das Ronacher könnte man "neu positionieren" - nach dem Vorbild des Rabenhofs: Es gebe in Wien genügend kreatives Potenzial, um das Etablissement "in einer völlig anderen Form, in einer neuen Form des Musiktheaters, zu bespielen". Für Woller und Werner-Lobo ist es nicht vorstellbar, dass Drozda das Ronacher untervermietet; sie schlagen vor, das Haus auszugliedern und die Intendanz auszuschreiben.

Was aber, wenn Drozda das Ronacher nicht aufgeben will? "Die Eigentümerin der Immobilie ist die Stadt. Sie hat einen Auftrag zu formulieren - und Drozda hat sich an diesen zu halten." Woller ist überzeugt: "Diese neue kulturpolitische Festlegung würde insgesamt bedeuten: mehr Musical, mehr Angebot, mehr Vielfalt, aber mit deutlich weniger Budget." (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 7.1.2014)