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Vielen Jugendlichen fällt es schwer, "Europa" mit ihrem eigenen Leben in Verbindung zu bringen.

Foto: APA/dpa-Zentralbild/Jens Kalaene

Ende Mai sind Österreichs Bürger und Bürgerinnen erneut aufgerufen, die Abgeordneten zum Europäischen Parlament zu wählen. Auch einige Erstwähler werden sich unter den Glücklichen befinden. Österreich ist das einzige EU-Land, das seine Jugendlichen schon mit 16 zur Wahlurne schreiten lässt. Das wirft Fragen darüber auf, wie es um die Jugend und deren Interesse an der Europäischen Union steht.

Die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) hat im Rahmen der Wanderausstellung "EU und DU" österreichweit 1.047 Schüler und Schülerinnen zu den Entwicklungen auf europäischer Ebene und ihrer Einstellung zur Europäischen Union befragt. Der Vorwurf, die Jugend würde sich nicht für Politik und schon gar nicht für Europapolitik interessieren, kann dadurch - zumindest weitgehend - widerlegt werden.

Bekanntheit des EU-Parlaments

42 Prozent der Befragten gaben an, mindestens ein- oder zweimal pro Woche vom EU-Parlament zu hören. 43 Prozent hingegen registrieren nur selten Nachrichten über das EU-Parlament, immerhin 15 Prozent "nie".

Studienautor Paul Schmidt, Leiter der ÖGfE, meint im Gespräch mit derStandard.at, vielen würde es schwerfallen, "Europa" mit ihrem eigenen Leben direkt in Verbindung zu bringen. Für die Mehrzahl der Jugendlichen fallen relevante Entscheidungen, die sie auch betreffen, auf nationaler Ebene (59 Prozent), dann auf regionaler beziehungsweise kommunaler Ebene (21 Prozent) und erst dann auf europäischer Ebene (15 Prozent). Es herrscht also eine Kluft zwischen der Realität und der Wahrnehmung der Jugendlichen, denn die politische Entscheidungsfindung hat sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr auf die europäische Ebene verlagert. Dies wird aber von den Jungen nur bedingt wahrgenommen.

Auch in Hinblick auf die Interessenvertretung gibt es erhebliche Defizite. Nur vier Prozent der Befragten sehen ihre Anliegen durch die EU-Abgeordneten "voll" vertreten, während sich 27 Prozent "eher", 46 Prozent "eher weniger" und 18 Prozent "gar nicht" vertreten fühlen. Jene, die häufiger vom Europäischen Parlament hören, sehen auch ihre Interessen besser vertreten. Das würde die These nahelegen, dass ein erhöhter politisch-öffentlicher Diskurs auch zu mehr Europa-Bewusstsein und in weiterer Folge zu einer höheren Wahlbeteiligung führen könnte. Schmidt sieht die Gründe für die genannten Defizite vor allem in einer Bringschuld der Politik, aber auch der Schulen und der Medien. Die nationale Politik müsse sich stärker europäisieren, denn aktuelle Entwicklungen würden noch sehr stark durch die nationale Brille gesehen, so Schmidt. Probleme müssten auch europäisch kommuniziert werden.

Hohe Wahlbereitschaft

Obwohl die Wahlbeteiligung Jugendlicher sowohl bei nationalen Wahlen als auch bei EU-Wahlen eher gering ist, können sich laut ÖGfE-Studie immerhin 71 Prozent der Jugendlichen vorstellen, an den EU-Wahlen im Mai 2014 teilzunehmen. Für 27 Prozent kommt das nicht infrage. Interessant ist auch, dass die Wahlbereitschaft von BHS- (90 Prozent) und AHS-Schülern (82 Prozent) höher ist als jene der Berufsschüler, von denen sich nur 63 Prozent vorstellen können, an der EU-Wahl teilzunehmen. Ob sich die Schüler Ende Mai dann wirklich so entscheiden, bleibt abzuwarten.

Die Wahlbeteiligung bei der EU-Wahl 2009 war laut Studie bei den Jugendlichen unterdurchschnittlich. Es wäre also demokratiepolitisch ein Erfolg, wenn jene Jugendlichen, die das bei der Umfrage auch so angegeben haben, wirklich wählen gehen. "Durch kontinuierlichen Dialog", so Schmidt, "muss versucht werden, gerade die Jungen nachhaltig vom Sinn demokratischer Beteiligung zu überzeugen", denn der Weg vom Erstwähler zum Stammwähler sei ein direkter. Gehen Jugendliche also bereits mit 16 wählen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie das auch in Zukunft tun.

EU-Information in sozialen Netzwerken

In sozialen Netzwerken sind die derzeit angebotenen Informationen zur EU für Jugendliche wenig attraktiv. 36 Prozent halten diese Informationen für uninteressant, lediglich 20 Prozent sagen, dass sie daran interessiert sind. Schmidt plädiert deshalb für verstärkte Online-Dialoge, da soziale Netzwerke eine ganz wesentliche Kommunikations- und Informationsschiene für Jugendliche darstellen.

In diese Kerbe schlägt auch der EU-Wahlinformationsblog eu2014.at, der unter anderem von den Jungen Europäischen Föderalisten initiiert wurde und über die Wahl zum Europäischen Parlament informiert. Er ist europaweit der erste Blog, in dem Schüler und Schülerinnen selbst über die EU-Wahl berichten. Der Blog- und Social-Media-Experte Yussi Pick, der die Plattform gemeinsam mit Schülern und Studierenden aus allen Bundesländern entwickelt hat, sieht selbst keinerlei Europamüdigkeit bei den Jugendlichen. Sie würden schon seit drei Monaten regelmäßig Texte schreiben und seien sehr interessiert, so Pick im Gespräch mit derStandard.at. Für Pick ist die Senkung des Wahlalters "eine gute Sache". Die große Herausforderung sei es nun, die jungen Menschen zum Partizipieren zu motivieren und genügend Informationsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen.

Politische Bildung hinkt der Realität hinterher

Doch nicht nur auf der Ebene der Social Media müssen Jugendliche verstärkt über die Europäische Union informiert werden, heißt es in der Studie. Auch die Schulen seien gefordert, ihrem Auftrag, die Schüler politisch zu bilden, nachzukommen, sagt Gertraud Diendorfer, Leiterin des Demokratiezentrums Wien und Vorstandsmitglied in der Interessengemeinschaft Politische Bildung (IGPB). "Mit der Integration der politischen Bildung in das Fach Geschichte im Zuge der Wahlaltersenkung wurde ein wichtiger Schritt in Richtung Institutionalisierung und Implementierung der politischen Bildung in der Schule erreicht."

Implementierende und begleitende Maßnahmen seien aber zu wenig erfolgt. "Insbesondere in der Lehrerausbildung, die ja derzeit reformiert wird, ist es wichtig, auf eine stärkere Institutionalisierung der politischen Bildung zu achten. Hier sind insbesondere auch die Universitäten und pädagogischen Hochschulen gefordert", sagt Diendorfer. (Elisabeth Kleinlercher, derStandard.at, 10.01.2014)