Auf der einen Seite gibt es immer noch schemenhafte Erinnerungen an den NSA-Skandal, bei dem der amerikanische Geheimdienst Millionen von Menschen ausgespäht hat. Dabei ging es nie um konkrete Verdachtsmomente oder einzelne Personen: Es wurde alles in den Computer geworfen, der die großen Datenmengen so lange analysierte, bis er irgendwelche Zusammenhänge gefunden und diese zur Wirklichkeit erklärt hat.

Auf der anderen Seite stehen IT-Unternehmen, Informatiker und Medien. Sie feiern "Big Data" als zentrale Errungenschaft. Egal, um welche Daten es sich handelt, sie werden zusammengeführt und analysiert. Oder wie ein Anbieter schreibt: "Dabei spielt es keine Rolle, ob diese strukturiert, unternehmensspezifisch oder öffentlich sind. Der Service analysiert Text, Audio und Video ebenso wie Social Media, Satelliten- und Wetterdaten." Es findet sich kaum ein Medium, das sich kritisch zu Big Data äußert, und kaum jemand, der bezweifelt, dass automatisch Daten- und Persönlichkeitsrechte gewährleistet sind.

Inzwischen mehren sich Protagonisten, die den Einsatz von Big Data auch im Personalmanagement fordern. Big Data soll Teil der unternehmensspezifischen Intelligenz und Big Data Management zentrale Aufgabe der Personalabteilung werden. Dabei sollte man sich nicht vom Prototyp des computerunerfahrenen Personalisten täuschen lassen: Er wird sich nicht selber damit befassen und hat gerade wegen seiner mangelnden Fachkenntnis auch kaum Problembewusstsein. Er ahnt aber, dass für ihn die Ergebnisse interessant sein könnten.

Die Fülle personalwirtschaftlicher Einsatzfelder ist imposant: Sie beginnt beim Durchleuchten des Bewerbers und reicht über Karriereentscheidungen bis zur Schwangerschaftsprognose noch vor dem Eintreten von Schutzfristen. Neben dieser zielgerichteten Suche arbeitet Big Data auch ziellos nach der Devise: "Wir sammeln einfach mal und werden schon irgendetwas in den Daten finden" (The New York Times). Gerade Themen wie Minderleister, Auslagerung und Vertragsauflösung sind hier "dankbare" Themen.

Zu Big Data kann vieles gehören: Bestellungen in der Kantine, über Amazon gekaufte Bücher, Daten der Krankenkasse, Kreditkarten-Abrechnungen, Reisedaten im Navigationssystem, Dokumente auf Servern und in der "Cloud", persönliche Mails, Flickr- und Snapchat-Fotos, Facebook-Einträge, WhatsApp- und Twitter-Nachrichten, und vieles anderes - was man sich an dieser Stelle lieber nicht vorstellen möchte.

Auch wenn immer mehr Menschen kein Problem mit grenzenlosem Ausspionieren haben, kann es nur eine Antwort geben. "Big Data: Nein, danke!" Zumindest in der Arbeitswelt der Zukunft muss ein Rest an Vertrauen und Angemessenheit erhalten bleiben. Nicht alles, was technologisch machbar ist, muss auch gemacht werden. Personenbezogene Datenanalyse muss klaren Regeln folgen, sonst brauchen wir uns nicht über die NSA aufzuregen: Professionelle Personalarbeit zeigt sich gerade daran, dass sie ohne Big Data arbeitet. (Christian Scholz, DER STANDARD, 11./12.1.2014)