Neuer tschechischer Rekord: Ende Oktober wurde gewählt, doch eine neue Regierung gibt es immer noch nicht. Am Freitag hat Präsident Miloš Zeman signalisiert, dass das Warten vorerst weitergeht. Dabei hat sich längst eine Koalition gefunden, die im Parlament eine bequeme Mehrheit hat. Seit Montag gibt es sogar einen unterschriebenen Koalitionsvertrag zwischen Sozialdemokraten (ČSSD), Christdemokraten (KDU-ČSL) und der Partei Ano des Unternehmers Andrej Babiš. Dennoch zögert Zeman nach wie vor, ein Kabinett anzugeloben.

Eine der Bedingungen, die er der neuen Koalition gestellt hat, könnte sich im Nachhinein durchaus bewähren. Nämlich die, dass nun endlich ein Beamtengesetz auf den Weg gebracht wird, das parteiunabhängige Fachkompetenz im Staatsapparat garantieren soll. Ähnlich sieht das auch die EU: Sie wirft Tschechien seit langem vor, als einziges Mitgliedsland kein Beamtengesetz zu haben, und sie droht deshalb bereits mit Entzug der Budgetmittel. Kommenden Freitag will Zeman nun den Wahlsieger und ČSSD-Chef Bohuslav Sobotka zum Premier machen; gegen die Ministerliste hat er aber Vorbehalte angemeldet. Die Frage, wen er ernennt und wen nicht, diese Frage sei "verfrüht" .

Im Land wird nun heftig über die Auslegung eines kurzen Satzes in der tschechischen Verfassung gestritten: "Der Präsident ernennt den Regierungschef und auf dessen Vorschlag die anderen Regierungsmitglieder." Doch kann er einen Vorschlag des Regierungschefs auch ablehnen? Und wenn ja: aus welchen Gründen? Ein vorzügliches Streitthema für Verfassungsexperten. Und eine Belastungsprobe für das Vertrauen der Tschechen in die Demokratie. Nicht zuletzt deshalb, weil vorerst weiter das von Zeman eingesetzte Übergangskabinett regiert, das weder aus Wahlen hervorgegangen ist noch die Zustimmung des neuen Parlaments hat. (Gerald Schubert, DER STANDARD, 11.1.2014)