Michael Spindelegger hat seine Macht demonstriert. Viel ist davon aber nicht mehr übrig. Am Sonntag musste die gesamte ÖVP-Spitze zu einer Sitzung nach Wien reisen, weil sich einige nicht parteikonform verhalten hatten. Nachsitzen wegen Ungehörigkeit, wie es in leistungsbewussten Gymnasien früher üblich war. Im Vorfeld hatte es geheißen, der ÖVP-Chef werde in der Sitzung auch die Vertrauensfrage stellen und mit Rücktritt drohen. Davon war nach der Sitzung, die laut dem ÖVP-Chef ein ganz normales Routinetreffen gewesen sein soll, seltsamerweise nichts mehr zu hören. Die Vertrauensfrage habe sich nicht gestellt, meinte der Parteichef, über dessen Kopf das Schwert des Damokles schwebt.

Während Journalisten in der Kälte ausharren mussten, wurden in der Parteiakademie die aufmüpfigen Vertreter des Westflügels, die zuletzt mit der Gesamtschule und sogar mit der Vermögenssteuer kokettierten, zumindest nach außen hin auf Schiene gebracht. Sie verließen kommentarlos den Ort des Geschehens. Einen Maulkorb lassen sich diese Leute jedoch sicher nicht verpassen. Nicht sie sind geschwächt, sondern ihr Bundesparteichef.

Spindelegger zeigte sich nach der Sitzung eine Spur entgegenkommender als zuletzt. "Das Gymnasium ist unverzichtbar", meinte er zwar wie üblich, fügte aber hinzu, dass er über Fragen der Schulversuche weiter reden wolle. Der Vermögenssteuer erteilte er erneut eine Absage, aber Denkverbote gäbe es keine. Diese Aussagen deuten auf eine neue Flexibilität hin, vor allem in Richtung jener Landesfürsten, die Spindeleggers Kurs zuletzt öffentlich sehr direkt kritisierten.

Der Westflügel der ÖVP ist somit noch stärker als zuvor, die Ost-ÖVP eher geschwächt. Das Problem: Je mehr Spindelegger Wallner, Haslauer und Platter entgegenkommt, desto mehr knickt er vor Faymann ein. Dem Westen kann das egal sein, im Osten schmerzt das so kurz vor der Regierungsklausur sehr.

Durch die angeblich nicht gestellte Vertrauensfrage hat Spindelegger jedenfalls das Problem nicht gelöst, sondern allerhöchstens vertagt. Er hat sich damit noch weiter geschwächt, wenn das überhaupt noch möglich war. Am beliebtesten ist Spindelegger derzeit bei der SPÖ, meinte Politologe Filzmaier gestern richtigerweise. Auch seiner Partei, die im Europa-Wahlkampf eigentlich ganz gute Chancen hätte, hat er mit dem gestrigen Auftreten keinen Gefallen getan. Um aus diesem Chaos rauszukommen, wird es noch einige "Routinesitzungen" brauchen. Mit oder ohne Spindelegger als Parteiobmann. (Rainer Schüller, derStandard.at, 13.1.2014)