Lokale Unterschiede: Die Sporendiversität in den Fjorden an der Westküste Spitzbergens war signifikant größer als in den Sedimenten aus der arktischen Baffin Bay.

Foto: Alexander Loy

Karte mit Standorten der untersuchten Meeresbodenproben und der globalen Meereszirkulation.

Abbildung: Albert Müller

Wien - Wie kommen Hitze liebende Bakterien in die Arktis - durch evolutionäre Anpassung oder doch eher passive Verbreitung? Ein Team von Forschern der Universität Wien, des neugegründeten Österreichischen Polarforschungsinstituts, der Universität Aarhus und der Universität Newcastle untersuchte die Biogeographie von Sporen Hitze liebender Bakterien im kalten Meeresboden und fand Erstaunliches: Physikalische Verbreitungsbarrieren gibt es auch für einzellige Kleinstlebewesen, und sie beeinflussen die lokale Diversität mariner Mikroorganismen. Ihre Arbeit wurde aktuell in der Fachzeitschrift "The ISME Journal" veröffentlicht.

Eisbären gibt es nur am Nordpol. Geographische Verbreitungsbarrieren haben dafür gesorgt, dass sie nie an den Südpol gelangten – wo sie aufgrund der herrschenden Umweltbedingungen durchaus leben könnten. Solche biogeographischen Verbreitungsmuster sind gut dokumentiert für Tiere und Pflanzen, für Kleinstlebewesen wie Bakterien und Archaeen allerdings nicht. Ursprünglich ging man davon aus, dass Mikroorganismen sehr leicht von einem Ort zum anderen transportiert werden, zum Beispiel über Wasser- oder Luftströmungen, und somit eigentlich überall zu finden sein müssten.

"Schlafende" Bakterien

Inzwischen gibt es Hinweise durch zahlreiche Studien, dass eben nicht alle Bakterienarten überall zu finden sind. Ein generelles Problem dieser mikrobiellen Biogeographiestudien ist aber, dass es schwer zu unterscheiden ist, ob die mikrobielle Diversität an einem Standort eher durch evolutionäre Anpassung der Mikroorganismen an den Lebensraum oder durch ihre passive Verbreitung bestimmt wird.

Die Untersuchung der Biogeographie von bakteriellen Sporen, also "schlafenden" Bakterien in Überdauerungsstadien, liefert die Lösung für dieses Dilemma. "Sporen von Hitze liebenden Bakterienarten an kalten Standorten reagieren nicht auf die für sie unwirtlichen Umweltbedingungen. Ihre Biogeographie in kalten Gefilden ist daher fast ausschließlich eine Folge ihrer passiven Verbreitung und eben nicht ihrer evolutionärer Anpassung durch genetische Mutation", erklärt der Mikrobiologe Alexander Loy.

Abhängig von Meereszirkulation

Für die Arbeit der Wissenschafter standen zwei arktische Regionen im Fokus: die Baffin Bay im Westen Grönlands und die Fjorde Spitzbergens. "Nach dem Aufwecken der Hitze liebenden Bakterien aus ihrem Dornröschenschlaf im Labor und molekularen Untersuchungen ihrer genetischen Vielfalt zeigte sich, dass nur manche Sporenarten nahezu weltweit verbreitet und auch diese nicht überall waren", so Loy. Es zeigten sich auch Unterschiede in der Vielfalt vorgefundener Sporenarten. So war die Sporendiversität in den Fjorden an der Westküste Spitzbergens, die gut an den Golfstrom angebunden sind, signifikant größer als in den Sedimenten aus der arktischen Baffin Bay, welche hydrographisch von der globalen Ozeanzirkulation relativ isoliert ist.

"Wir konnten damit erstmals systematisch zeigen, dass selbst Bakterien im Sporenstadium – also Mikroorganismen, die am ehesten in der Lage sein sollten, längere Reisen zu überstehen – nicht überall zu finden sind und damit in ihrer Verbreitung eingeschränkt sind. Ein wichtiger Mechanismus scheint die unterschiedliche Anbindung lokaler Gewässer an die globale Meereszirkulation zu sein. Diese Verbreitungsbarrieren spielen für die lokale Diversität von Mikroorganismen, die keine Überdauerungsformen wie Sporen ausbilden können, natürlich eine noch größere Rolle", fasst der Mikrobiologe Albert Müller, die Ergebnisse zusammen. (red, derStandard.at, 13.1.2014)