Farbdiskrepanz beim Kimonos des Dorotheum-Loses (o.) und eines anerkannten Originals (u., Detail)

Foto: Kataolog Dorotheum
Foto: Christie's

Wien - Keine Frage: Rudolf Leopold, Kunstsammler, Stifter und Museumsdirektor, hat ein ziemlich gutes Auge. Für Meisterwerke - und daher auch für Fälschungen. Sie stechen ihm geradezu ins Auge.

Am 7. August stach Leopold eine Abbildung in der Presse ins Auge. Diese zeige, war zu lesen, ein Blatt von Chokosai Eisho (tätig 1780-1800) mit dem Titel Ein Spiegel der Schönen in der Stadt, das bei der Asiatika-Auktion des Dorotheums am 13. Oktober mit einem Schätzwert von 2000 bis 3600 Euro zur Versteigerung gelangen soll. Das Wiener Auktionshaus selbst merkt zu dem Los an: "Besonders ausdrucksvolles und seltenes Blatt von Chokosai Eisho (...) hervorragender Druck, Hintergrund mit Glimmerdruck, sehr gute Farben, ausgezeichneter Erhaltungszustand."

Leopold, international anerkannter Experte für Schiele, Gerstl und Kokoschka, der sich auch jahrelang mit asiatischer Kunst beschäftigte, bezweifelte sofort die Echtheit. Er wollte aber sicher gehen - und beauftragte Kurt Binder mit einem Gutachten. Der Asiatika-Spezialist, der jahrelang in Japan lebte, gelangte zu dem Schluss, dass es sich hierbei nicht um einen Originalholzschnitt aus dem Jahr 1795 handelt, sondern um "eine spätere, künstlerisch minderwertige Edition". Der Wert betrage lediglich 100 bis 200 Euro, solche Drucke würden am internationalen Auktionsmarkt jedoch nicht gehandelt.

Binder macht seine Expertise an den folgenden Merkmalen fest: Die grüne Farbe des Kimonos sei "seltsam" und Ende des 18. Jahrhunderts im japanischen Holzschnitt noch nicht existent. Sie sollte violett sein, denn der Name des Mädchens "Wakamurasaki" heiße übersetzt "Junges Violett". Zudem seien die Konturlinien nicht weich, sondern hart, die Gewandfalten nicht locker malerisch, sondern steif, und Titel wie Signatur würden sich nicht durch einen kalligraphisch harmonischen Stil auszeichnen, sondern einen "unsensibel blockigen Charakter" aufweisen.

Jorinde Ebert, frisch bestallte Dorotheum-Expertin, kontert, dass Binder das Los nicht im Original studiert hat: "Wir legen auf diesen Tatbestand deswegen so großen Wert, weil japanische Blockdrucke ein Produkt mehrerer Künstler und Handwerker sind, die gemeinsam gearbeitet haben, Druckblöcke ihrer Beliebtheit wegen oft mehrfach nachgeschnitzt wurden und es daher zu erheblichen Abweichungen kommen kann." Die Farbe sei durchaus zu jener Zeit verwendet worden. "Murasaki" bedeute zudem nicht nur Violett, sondern umfasse viele Rottöne von Purpur bis Rosa.

Die Asiatika-Versteigerung im Oktober wird die erste des Dorotheums seit April 1997 sein. Die Sparte war aufgegeben worden, nachdem das Auktionshaus in Verdacht geraten war, Fälschungen zu versteigern. Irene Zacke (Auktionshaus Zacke) behauptete damals, dass von 400 Positionen einer Auktion 120 neuwertige Manufakturware seien. Umgekehrt wären Arbeiten der Tang-Dynastie auf 500 Euro taxiert worden, obwohl der Marktwert bei 8000 Euro liege. Das Dorotheum zog die Konsequenzen - und trennte sich von seinem Asiatika-Experten Christoph Nauert. (DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.8.2003)