Im ostafrikanischen Rift Valley leben etwa 75 Prozent der weltweiten Population von Zwergflamingos.

Foto: Michael Schagerl

Das Cyanobakterium Arthrospira fusiformis unter dem Mikroskop.

Foto: Michael Schagerl

Wien - Seit einigen Jahren rätseln Forscher über die Ursache für das regelmäßige Verschwinden großer Teile der Flamingo-Population an den Sodaseen des ostafrikanischen Rift Valleys. Wiener Wissenschafter konnten nun zeigen, dass Viren daran Schuld sind: Diese befallen jene Cyanobakterien, die den Flamingos als Hauptnahrungsquelle dienen, berichten die Forscher im Fachblatt "The ISME Journal".

Massensterben von Cyanobakterien

In den im ostafrikanischen Rift Valley gelegenen Natronseen – der bekannteste ist der Nakurusee im Lake-Nakuru-Nationalpark in Kenia – leben 1,5 bis 2,5 Millionen Zwergflamingos (Phoeniconaias minor). Das sind etwa 75 Prozent des weltweiten Vorkommens dieser bedrohten Art. Die Hauptnahrungsquelle der Flamingos ist das schnellwüchsige und massenhaft vorkommende Cyanobakterium Arthrospira fusiformis, auch Blaualge genannt. Cyanobakterien enthalten neben anderen Photosynthese-Farbstoffen blaues Phycocyanin, das Flamingos ihre rosa Farbe verleiht, erklärt der Virenökologe Peter Peduzzi vom Department für Limnologie und Ozeanographie der Universität Wien.

Die Bakterien wurden früher zu den Algen gezählt, besitzen aber im Gegensatz zu diesen keinen echten Zellkern und sind somit als Prokaryoten nicht mit Algen - eukaryotischen Lebewesen - verwandt. Immer wieder komme es zu massenhaftem Absterben der Cyanobakterien im Nakurusee, so Peduzzi. Gemeinsam mit dem Algenforscher Michael Schagerl konnte er nun klären, dass Viren die Ursache dafür sind und einen direkten Zusammenhang mit dem Verschwinden der örtlichen Flamingo-Populationen herstellen.

Immense Virenhäufigkeit

"Wir konnten im Wasser des Nakurusees nicht nur die größte bisher in einem natürlichen aquatischen Lebensraum gemessene Virenhäufigkeit feststellen, sondern auch eine mit dem Algen-Zusammenbruch einhergehende, hohe Infektionsrate bei den Cyanobakterien herausfinden", berichtet Peduzzi. Während dieser Infektionsphase reduzierte sich, parallel zur Abnahme ihrer Hauptnahrungsquelle, auch die Flamingo-Population von über 1,5 Millionen auf ca. 1.500 verbleibende Individuen am Ende der Untersuchungsperiode." In einem Milliliter des Seewassers fanden die Forscher rund eine Milliarde Viren, üblicherweise seien es nur rund zehn Millionen. Den Virus selbst haben die Wissenschafter im Elektronenmikroskop nachgewiesen, allerdings noch nicht molekularbiologisch untersucht.

Ob die Zwergflamingos in andere Gebiete mit intakten Nahrungsquellen abwandern oder ob es tatsächlich zu einer deutlichen Reduktion der Population kommt, sei noch nicht geklärt, so der Peduzzi. Aufgrund der hohen Reaktionsfähigkeit der Cyanobakterien wachse deren Population schnell wieder an.

Jedenfalls konnten die Forscher nachweisen, dass Viren einen Kaskadeneffekt in der Nahrungskette und in der Folge den Zusammenbruch einer Population von Endkonsumenten auslösen können. Dies unterstreiche das ökologische Potenzial von Viren, das erst in den vergangenen Jahren verstärkt erforscht werde, so die Forscher. Möglicherweise komme dies auch in vielen anderen, auf diesen Effekt noch nicht untersuchten, aquatischen Nahrungsnetzen vor. Brisant ist auch, ob längerfristige Klimaveränderungen, wie ausgedehnte Trockenperioden im Rift Valley, in Zukunft als Stressfaktoren häufigere Zusammenbrüche der Nahrungsgrundlagen bewirken könnten. (APA/red, derStandard.at, 26.1.2014)