Bild nicht mehr verfügbar.

EU-Chefverhandler Ignacio Garcia Bercero (li.) und sein US-Kollege Dan Mullaney bei einer Pressekonferenz im November 2013.

Foto: REUTERS/ FRANCOIS LENOIR

Frage: Die Europäische Kommission hat die Verhandlung über Teile des Freihandelsabkommens mit den USA ausgesetzt. Was heißt das genau?

Antwort: EU-Handelskommissar Karel De Gucht will eine öffentliche Anhörung einleiten. Konkret geht es um den Streitpunkt der Investorenschutzklauseln (Investor-to-State Dispute Settlement, ISDS). Anfang März will De Gucht die gesetzlichen Texte dazu veröffentlichen und drei Monate diskutieren. Die Kommission bestätigte am Dienstag per Pressemitteilung damit einen Standard-Bericht. In einem vorliegenden Brief an Österreichs Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) beklagte sich De Gucht über "den zunehmend negativen Ton" der Debatte und forderte Europas Wirtschaftsminister auf, sich in die Diskussion einzubringen.

Frage: Worum geht es dabei?

Antwort: Die Klauseln sollen Unternehmen ermöglichen, sich gegen eine Vertragsverletzung durch einen Staat vor einem internationalen Schiedsgericht zu wehren. Nichtregierungsorganisationen warnten davor, dass sich Konzerne künftig gegen unliebsame Gesetze wehren können. Wirtschaftsminister Mitterlehner begrüßte auf APA-Anfrage die gewonnene Diskussionszeit zu den ISDS, ist aber grundsätzlich für eine Investitionsschutzklausel.

Frage: Welche Position hat denn die EU-Kommission in dieser Frage?

Antwort: EU-Kommissar De Gucht verlangt "die richtige Balance" zwischen Investorenschutz und dem Spielraum der Regierungen bei der Gesetzgebung. "Das TTIP wird das Recht der EU-Mitgliedsstaaten hochhalten, im öffentlichen Interesse gesetzliche Regeln zu erlassen", schreibt De Gucht in der Aussendung. Die EU will vor allem Schlupflöcher bestehender Verträge ausmerzen, die "Missbrauch" der Klauseln ermöglichten, betonte der EU-Chefverhandler des Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP), Ignacio Garcia Bercero, im Gespräch. Bereits heute existieren 1400 Einigungen zum Investorenschutz auf bilateraler Basis. Österreich hat 62 solche Investitionsschutzabkommen.

Die EU-Kommission betont, dass diese Klauseln vor allem europäischen Unternehmen zugutekommen. 2012 machten europäische Unternehmen die Hälfte der Firmen aus, die ISDS in Anspruch genommen haben. Kritiker halten dagegen, dass solche Klauseln als Absicherung nur Sinn machen, wenn zwei Länder mit unterschiedlichen rechtlichen Standards verhandeln. Daher brauche es aber bei einem Abkommen zwischen den USA und der EU solche Klauseln gar nicht.

Frage: Bedrohen die Investorenschutzklauseln das TTIP insgesamt?

Antwort: Davon ist nicht auszugehen. Ökonomen schätzen, dass die positiven Wirtschaftseffekte vom Abbau der Handelshemmnisse auch ohne die ISDS möglich wären. Außerdem wird ansonsten weiter über das Freihandelsabkommen verhandelt. Im März soll es weitergehen. Aus der Kommission heißt es aber, 2014 werde der Abschluss der Gespräche kaum mehr zu schaffen sein, auch weil andere sensible Kapitel noch verhandelt werden.

Frage: Wie reagierten die Nichtregierungsorganisationen auf die Aussetzung der Teilverhandlungen?

Antwort: Überwiegend positiv. Greenpeace sah etwa einen "wichtigen Etappensieg". Allerdings gibt es vielerorts Ablehnung der ISDS: Die Sozialdemokraten lehnen eine Investitionsschutzklausel in dem Freihandelsabkommen ab, sagte SPÖ-EU-Abgeordneter Jörg Leichtfried. EU-Parlamentarier aus dem Ausschuss für internationalen Handel (INTA) finden den Schritt der Kommission auf Standard-Anfrage positiv. Gleichzeitig besteht aber Kritik an anderer Stelle. Elisabeth Köstinger von der Fraktion der Europäischen Volkspartei etwa fordert, dass auch die Texte "anderer sensibler Bereiche" veröffentlicht werden. Sie zählt etwa die Fragen rund um Fracking oder gentechnisch veränderter Lebensmittel dazu.

Frage: Werden die EU-Lebensmittelstandards in einem Freihandelsabkommen an die USA angepasst?

Antwort: Nein. Die Umwelt- und Lebensmittelstandards stünden nicht zur Disposition, betont die Kommission: "Die europäischen Standards werden nicht nach unten nivelliert", sagte Bercero. Das wüssten auch die USA. Die größten Vorteile des Freihandelsabkommens zwischen den beiden Wirtschaftsräumen ortet die EU-Kommission woanders. Etwa in der Automobilbranche oder der Chemie- und Pharmaindustrie. In diesen Bereichen könnte etwa eine einheitliche Registrierung Vorteile bringen, so Bercero.

Frage: Welche Vorteile erhofft sich die Kommission von TTIP?

Antwort: Sie erwartet sich Wohlstandsgewinne für Europas Haushalte, wenn der Handel zwischen der EU und den USA intensiviert wird. Laut Chefverhandler Bercero könnte ein weitreichendes Abkommen jeden europäischen Haushalt rund 540 Euro zusätzlich bringen. Bercero: "Die wirtschaftlichen Vorteile sind signifikant." (Lukas Sustala, DER STANDARD, 22.1.2014)