Francesca Woodman: "A Woman. A Mirror. A Woman is a Mirror for a Man"
Providence, Rhode Island, 1975–1978/1997–1999

Foto: Courtesy George and Betty Woodman, New York / SAMMLUNG VERBUND, Wien

Francesca Woodman: "Untitled"
Boulder, Colorado, 1972–1975/1999

Foto: Courtesy George and Betty Woodman, New York / SAMMLUNG VERBUND, Wien

Francesca Woodman: "Untitled"
Providence, Rhode Island, 1976/1999

Foto: Courtesy George and Betty Woodman, New York / SAMMLUNG VERBUND, Wien

Den Blick abgewandt, das Kabel des Selbstauslösers wie eine Nabelschnur zur Kamera. So sehen wir Francesca Woodman auf ihrem ersten dezidiert  künstlerischen Werk:  "Self portrait at thirteen" hat sie es genannt. Gerade einmal acht Jahre lang, von 1973 bis 1980, dauerte die kurze Schaffensphase der amerikanischen Künstlerin, die sich am 19. Jänner 1981 das Leben nahm.

Bisher ungesehene Schätze

Es ist der Sammlung Verbund und insbesondere ihrer Leiterin Gabriele Schor zu verdanken, dass nun endlich die erste deutschsprachige Monografie von Francesca Woodman vorliegt. Sie erscheint als Katalog zu einer Ausstellung, die diese Woche in Wien in der Vertikalen Galerie eröffnet wird. Die Sammlung Verbund besitzt mit 79 Fotografien den größten Bestand an Werken neben dem Nachlass in New York, 20 davon werden jetzt erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.

Während die Rezeption von Woodmans Fotografien, Videos und Zeichnungen im feministischen Diskurs in den USA durch Ausstellungen im San Francisco Museum of Modern Art (2011/12) und im Guggenheim in New York (2012) neue Impulse erlangte, war es in Europa recht ruhig um die Künstlerin, die im Kontext weiblicher Subjektivität und Performance sicherlich als bahnbrechend bezeichnet werden kann.

Aufgewachsen in Colorado und Italien

1958 in einer Künstlerfamilie in Boulder geboren, wuchs Francesca Woodman in Colorado und Italien auf, einem Land, dem sie kulturell immer verbunden blieb. In Rom war es auch, wo Woodman mit der Ausstellung "Donna. Avantguardia Femminista negli anni '70" zuletzt auf europäischen Boden prominent vertreten war. Mit dem nun vorliegenden Buch kann ihr Werk einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden.

Elisabeth Bronfen, Grande Dame der Gender-Theorie und Mitherausgeberin des Buches, schreibt in ihrem Essay über die fotografischen tableaux vivants der Künstlerin: "Mithilfe der ästhetischen Gestaltung kann jeder Körper seiner Flüchtigkeit enthoben werden." Und weiter: "Dank einer Übertragung in die ästhetische Formalisierung wird der Tod zwar angehalten, zugleich aber seinerseits verstetigt."

Sind Woodmans eindringliche, großteils schwarz-weiße Fotos und Videos, in denen sie meist selbst als Modell fungiert, also visuelle Selbstverstümmelungen, die immer schon auf ein selbst gewähltes Ende hin gedacht waren? Mitnichten. Bronfen versucht die obsessive Beschäftigung mit dem eigenen Leib und seinem Verschwinden weg vom Suizid hin zum Produktiven der künstlerischen Tätigkeit zu deuten.

"Wir waren die undankbaren Wesen"

Woodman spielt in ihren klugen Inszenierungen mit den Blicken, den männlichen wie den weiblichen. Etwa wenn sie in ihrer Arbeit "Untitled" aus 1976 Botticellis Geburt der Venus als einen Akt der Selbstschöpfung umdeutet. Erhellend dazu ist der persönliche Text von Betsy Berne, einer Freundin der Künstlerin: „Und dann war da noch die feministische Frage: Sein oder Nichtsein. Die Wahrheit ist: Wir waren die allerersten einer Generation, die ganz natürlich feministisch waren; wir waren die undankbaren Wesen, die das für selbstverständlich nahmen. Wenn überhaupt, dann fühlte Francesca sich schuldig, weil sie keine 'wirkliche' Feministin war, obwohl sie es natürlich trotzdem war, einfach, weil sie als Frau sich und ihre Arbeit ernst nahm. Es gab keine Notwendigkeit, in offenkundig selbstreflexiven Bebilderungen feministische Theorie zu diskutieren oder zur Schau zu stellen."

Nicht Theorie, sondern künstlerische Praxis war der Alltag der Vielleserin und profunden Kennerin der Kunstgeschichte. Der Bedeutung von Schrift in ihren Bilderzählungen könnten viele weitere Kapitel gewidmet werden.  Für Lese- und Anschauungsstoff ist mit dem nun vorliegenden, mehr als 300-seitigen Buch jedenfalls gesorgt. (Tanja Paar, dieStandard.at, 28.1.2014)