Es gibt einen recht passenden Ausdruck für das, was Freitagnacht rund um den „Akademikerball" in der Wiener Hofburg passiert ist: Die Polizei hat das Kind, vor lauter Angst, es könne sich verbrühen, mitsamt dem Bade ausgeschüttet. Weil man Randale durch gewaltbereite Demo-Touristen befürchtete, hat man gleich eine gesamte Demonstration samt medialer Berichterstattung darüber unter Generalverdacht gestellt. Der Effekt war: Es kam genau so schlimm, wie man befürchtet hatte - wenn nicht noch schlimmer. In der Innenstadt flogen Pflastersteine, Autoscheiben und Geschäftsauslagen gingen zu Bruch, es wurde auf beiden Seiten geprügelt, es wurden harmlose Passanten höchst ungut gefilzt, es gab einige Verletzte und hunderte Festnahmen. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Man kann nun darüber spekulieren, ob die völlig überschießenden Vorsichtsmaßnahmen der Exekutive mit Platzverbot, Vermummungsverbot, Betretungsverbot der Sperrzone für Journalisten den "Drive" der Gewaltbereiten noch befeuert hat. Einiges spricht dafür. Aus Sicht der Demonstranten hat die Polizeiführung Freitagnacht ein sehr klares Bekenntnis abgelegt, wen sie für schützenswert hält. Im Netz kursierte ein Sperrzonenvergleich: Als George W. Bush Wien besucht hatte, als US-Präsident immerhin jener Mann, der weltweit als am meisten gefährdet galt, war die Sperrzone in der Innenstadt wesentlich kleiner als nun, da sich rechte Recken und Reckinnen ungestört zu ihrem Netzwerktreffen in der noblen Hofburg versammeln wollten.

Als in den 1990er-Jahren noch mit Verve gegen den  Opernball demonstriert wurde, gab es ebenfalls Tumulte, und die Polizei verhielt sich nicht immer geschickt. Auch damals gingen die Vielen im Getümmel unter, die friedlich protestieren wollten. Auch damals wurden Journalisten nicht gerade freundlich behandelt. Aber kein Innenminister und kein Polizeipräsident hätte sich getraut, die Pressefreiheit derart einzuschränken, wie es Freitagabend geschehen ist.

Es gibt jedenfalls viel zu tun, wenn man ähnliche Vorkommnisse im kommenden Jahr vermeiden möchte.

Da ist zuallererst die Hofburg-Betreibergesellschaft gefordert. Sie ist dringend aufgerufen zu überdenken, ob es wirklich sein muss, dass der Ball der Burschenschafter, deren politische Gesinnung wahrlich kein Aushängeschild für das demokratische Österreich ist, ausgerechnet an der Renommier-Adresse der Republik walzt. Ohne Ball keine Demo - so einfach könnte es sein.

Da ist weiters die Wiener Polizei: Es darf doch nicht wahr sein, dass es zu ihrer Performance von Freitagnacht keine Alternative gibt. Man erkundige sich gefälligst bei Kollegen in Genf, Genua oder sonstwo, wie man heutzutage bei Weltwirtschaftsforen für Sicherheit sorgt, ohne gleich demokratische Grundrechte über Bord zu werfen.

Und da sind vor allem die Politiker gefordert, die diese Stadt regieren und repräsentieren: Sie haben auffällig laut geschwiegen zu den Vorkommnissen der Ballnacht. Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl hat vor kurzem ein neues Sicherheitskonzept für Wien gefordert. Doch das kann er unmöglich gemeint haben. Und die Grünen? Es reicht nicht, wenn ihr Justizsprecher sagt, der Akademikerball werde noch ein parlamentarisches Nachspiel haben. Die Vizebürgermeisterin selbst muss erklären, was sie vom Vorgehen der Polizei hält. Und nicht nur sie: Alle Parteien, die im Parlament vertreten sind, müssen sich jetzt deklarieren, wie sie zu Versammlungs- und Pressefreiheit stehen.

Wenn hier Konsens besteht und man aus den Fehlern lernt - dann wäre der 24. Jänner 2014, im Sinne der vielen Tausend, die friedlich gegen die rechte Veranstaltung demonstrierten, deutlich mehr gewesen als das, was ein Standard-Poster schrieb: eine "Nacht der Idioten". (Petra Stuiber, derStandard.at, 25.1.2014)