Die an Baustellen erinnernde Ausstellungsarchitektur signalisiert, dass hier alles in Bewegung ist: "Siehe, was dich sieht" heißt die an Gästen reiche Ausstellung von Franz Graf im 21er-Haus.

Foto: Belvedere, Wien

Wien - Es sieht fast so aus, als würden sich kollaborative, visuell überbordende Projekte am besten für das 21er-Haus eignen. Nach der Künstlergruppe Gelatin hat nun auch Franz Graf der dominanten modernistischen Architektur ein Schnippchen geschlagen: Gelungen ist Graf das zum einen mit einer Überfülle an Kunst, zum anderen mit einem Display, das an die temporäre Architektur von Baustellen angelehnt ist.

An einem riesigen Gerüst in der Raummitte hängen die neuen Gemälde des 1954 in Tulln geborenen Künstlers wie reife Äpfel. Genauso prominent sind dort aber auch Werke der von ihm eingeladenen Künstlerinnen und Künstler platziert. Der Großteil der Werke wird allerdings an den Wänden von mehreren mit Verschalungsbrettern gezimmerten "White Cubes" gezeigt.

Statt eine klassische Retrospektive zu zeigen, entschied sich Kurator Severin Dünser dazu, Einblick in ein OEuvre zu geben, in dem das Kollaborieren mit Freunden mindestens genauso charakteristisch ist wie Grafs Bildsprache oder das Zusammenführen von Kunst und Leben.

In der eher assoziativ als thematisch gruppierten Ausstellung erinnern abstrakt-ornamentale Werke von so unterschiedlichen Künstlern wie Hildegard Joos, Zofia Kulik oder auch Kristján Gudmundsson an Grafs Anfänge in den 1970er-Jahren. Damals studierte er bei Oswald Oberhuber an der Angewandten; später arbeitete er gemeinsam mit Brigitte Kowanz im Umfeld von Neo Geo.

Von der Zeichnung ausgehend, sprengte Graf die Gattungsgrenzen jedoch bald auf: Er erweiterte sein formales Spektrum um collagierte Fotografien, Installationen oder eben auch um Gemälde: Noch immer sind seine großformatigen Bilder schwarz-weiß. Neben Texten sind auf den nun präsentierten Arbeiten, aber auch die unterschiedlichsten Frauentypen zu sehen, die er mit ornamentalen Formen und in schnellen, comicartigen Strichen realisiert.

Franz Grafs Vorliebe für Frauenporträts bleibt in der Ausstellung kein Geheimnis: Präsentierte Werke von Nobuyoshi Araki, Arik Brauer, Kurt Ryslavy, Otto Muehl und anderen unterstreichen das. Seine eigenen, zum Teil sehr fragmentarisch gemalten weiblichen Körper machen aber auch deutlich, dass der langjährige Professor an der Wiener Akademie der bildenden Künste auch von Künstlerinnen wie Valie Export, Elke Silvia Krystufek oder Zenita Komad gelernt hat.

Leidenschaft für Plattencover

Einer der in den Raum hineingestellten Kuben ist - zumindest inoffiziell - als nicht jugendfrei ausgewiesen: Zwar haben es nur die Künstlerinnen Valie Export und Elke Krystufek hineingeschafft, allerdings steht auch gar nicht der weibliche, sondern der männliche Körper im Fokus. Neben Fotodokumenten der Wiener Aktionisten und der Tuschezeichnung Acht männliche Akte (1922) von Franz Barwig d. Ä. fällt dort unter anderem eine Single der Pet Shop Boys auf, auf deren Cover es 1996 ein erigierter Penis geschafft hat.

Als leidenschaftlicher Sammler außergewöhnlicher Plattencover weist sich Franz Graf aber auch mit einer ganzen Reihe weiterer Beispiele aus: An seiner "Trophäenwand" prangt Ja Ja Ja Nee Nee Nee von Joseph Beuys, ein von Arnulf Rainer für André Heller gestaltetes Cover oder der Soundtrack eines Bruce-LaBruce-Films.

Die produktive Unordnung des Graf-Kosmos ist damit längst nicht ermessen: Neben Performances finden alle 14 Tage weitere Eröffnungen statt, die unbekanntere Künstlerpositionen vorstellen. Angesichts der Fülle wünscht man diesen jedoch, dass sich das im Titel Siehe, was dich sieht mitschwingende "Sehen und gesehen werden" nicht allzu schnell in ein Übersehen verkehrt.  (Christa Benzer, DER STANDARD, 29.1.2014)