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Der traditionsreiche Mobiltelefonhersteller Motorola wandert nach China.

Foto: STEVE MARCUS / REUTERS

Als am Mittwoch die ersten Gerüchte die Runde machten, dass Google seine vor gerade einmal knapp zwei Jahren erworbene Mobilfunktochter Motorola Mobility verkaufen will, kam das selbst für gut informierte Marktbeobachter überraschend. Wenige Stunden später folgte dann aber schon die offizielle Bestätigung: Um gerade einmal 2,91 Milliarden US-Dollar wandert das die Google-Tochter an den chinesischen Hardwarehersteller Lenovo.

Vorgeschichte

Schon von Beginn an war spekuliert worden, dass sich Google bald wieder des Smartphoneherstellers entledigen könnte. Immerhin passte die Hardwarefertigung nicht so recht in Googles restliche Strategie, die ganz auf Services und den damit verbundenen Werbungsverkauf ausgerichtet ist und für deren Erfolg das Google-Betriebssystem Android vollständig herstellerneutral sein muss.

Samsung

Und doch könnte hinter dem jetzigen Verkauf von Motorola deutlich mehr stecken, als es zunächst den Anschein hat. So dürfte neben Google und Lenovo auch der führende Android-Hardwarehersteller Samsung kräftig mitgemischt haben. War doch nur knapp vor der Motorola-Ankündigung ein anderes Gerücht aus üblicherweise wohlinformierten Kreisen kolportiert worden: Samsung und Google hätten eine Einigung erzielt, in deren Rahmen der südkoreanische Hersteller die eigenen Android-Modifikationen deutlich zurückfährt.

Abmachung

Unklar war zunächst allerdings, was Samsungs Interesse an einer solchen Abmachung sein könnte. Nun scheinen die Eckpunkte klar: Google verzichtet auf eine eigene Hardwareproduktion, Samsung im Gegenzug auf konkurrierende Services, die immerhin Googles Geschäftsmodell direkt angreifen. Auszugehen ist zudem davon, dass mit einer solchen Abmachung vorerst auch Überlegungen Samsungs, eine eigene Android-Abspaltung zu betreiben oder sich mittels der Eigenentwicklung Tizen gleich von Google zu verabschieden, vom Tisch sind.

Patentabkommen

Schon vor einigen Tagen hatte sich ein Ende der zuvor unübersehbaren Eiszeit zwischen Google und Samsung angedeutet. So hatten die beiden Unternehmen ein weitreichendes Patentabkommen verkündet, unter das nicht nur bestehende Patente fallen, sondern auch solche, die in den kommenden zehn Jahren eingereicht werden.

Hardware

Die Frage bleibt, wie weit Googles Ausstieg aus der Hardwareproduktion reicht. Im Blog-Eintrag von Google-Chef Larry Page heißt es zu dieser Frage, dass man in Bereichen wie Wearables (Google Glass) und Smart Home sehr wohl weiter an eigener Hardware arbeiten wolle, da hier die "Dynamik eine andere als im mobilen Bereich" sei. Umgekehrt ließe sich daraus aber schließen, dass es gar keine Smartphones und Tablets aus dem Haus Google mehr geben wird.

Nexus?

Und spätestens hier dürfen nun die Alarmglocken mancher Android-Fans läuten: könnte damit doch - mittelfristig - das Ende von Googles eigener Nexus-Linie eingeläutet werden. Diese wird zwar nicht von Google selbst gefertigt, aber maßgeblich von dem Unternehmen mitgestaltet und selbst vertrieben. Vor allem aber macht die Reihe zunehmend anderen Herstellern Konkurrenz, allen voran das Nexus 7, das zu den meistverkauften Tablets in seiner Kategorie gehört.

Prognose

Dazu passt, dass der meist gut informierte Brancheninsider Eldar Murtazin vor wenigen Tagen ebendas verkündet hat: Google plane, ab 2015 die Nexus-Reihe einzustellen, an ihre Stelle sollen unter neuer Marke die "Google Play Editions" treten. Wer diese noch nicht kennt: Dabei handelt es sich um mit purem Android - und einem damit einhergehenden flinken Update-Versprechen - ausgestattete Varianten bestehender Smartphones. Viele Beobachter hatten diesen Bericht zunächst abgetan, da Murtazin in der Vergangenheit auch immer wieder wieder danebengelegen war. Unter den oben erläuterten Vorzeichen gewinnt dieser Bericht aber nun an Validität.

Widerspruch

Um das klarzumachen: Das Ende der Nexus-Reihe ist derzeit nur eine Möglichkeit, keine Gewissheit. Immerhin gibt es auch Argumente, die gegen einen solchen Schritt sprechen. So hatte Google immer wieder betont, dass man neue Android-Versionen ohnehin nur im Tandem mit frischer Hardware entwickeln könne. Und wenn man diese schon benötige, könne man auch gleich "ein paar mehr produzieren" und sie zum Verkauf anbieten. Auch muss die Nexus-Reihe nicht notwendigerweise Samsungs Interessen im Weg stehen, etwa wenn man selbst die Hardware liefert.

Nicht zentral

Klar ist aber jedenfalls, dass Google nicht um jeden Preis um die Weiterführung der Nexus-Linie kämpfen wird. Zentral sind für Google die Verbreitung der eigenen Services und der Zusammenhalt von Android. Ein entsprechendes Abkommen mit Samsung hätte also sicher Priorität. Die Vorzeigerolle für neue Android-Versionen könnten auch die Google Play Editions einnehmen, und um kommerzielle Überlegungen ging es bei der Nexus-Reihe ohnehin nie. Hatte Google hier doch - wohl auch nicht gerade zur Freude der eigenen Partner - mit sehr geringen Gewinnmargen operiert.

Nur Gewinner?

So dürften zumindest von Unternehmensseite eigentlich alle das bekommen, was sie wollen: Google hat Android besser im Griff als je zuvor und stärkt dabei auch gleich die Position der eigenen Services. Samsung entledigt sich der Gefahr, dass sich Google zum ernsthaften Konkurrenten im Hardwaregeschäft mausert, und Lenovo bekommt endlich einen Fuß auf den Smartphone-Weltmarkt.

Fast ...

Ob das Fazit für die Konsumenten auch so positiv ausfällt, darf allerdings bezweifelt werden. Immerhin haben sowohl Google mit der Nexus-Linie als auch Motorola mit dem Moto G ordentlichen Preisdruck auf den Markt ausgeübt. Ob Lenovo oder andere neue Herausforderer wie Xiaomi diese Rolle übernehmen können, muss sich erst zeigen. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 30.1.2014)