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Nach dem Scheitern der EU-Verfassung versucht man innerhalb der EU, das Beste aus dem Vertrag von Lissabon zu machen.

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Grafik: Maria von Usslar

User JoeBhing will wissen, wie es nach den negativen Abstimmungen zur EU-Verfassung und dem Lissaboner Vertrag mit den EU-Verträgen weitergeht, und fragt: schleichende Prozesse, bis die nächste Krise den Politikern Kaffee einschenkt?

Das Wort "Verfassung" will in der EU niemand mehr in den Mund nehmen. Seit der Versuch, die Grundsätze der EU-Mitgliedsstaaten in einem Regelwerk festzuschreiben, im Jahr 2005 in einem veritablen Desaster geendet hat, wird um die vertragliche Festschreibung von Zukunftsvisionen ein großer Bogen gemacht. Immerhin konnte nach dem Referendums-Nein der Niederlande und Frankreichs mit dem Vertrag von Lissabon eine Schmalspurversion der EU-Verfassung verabschiedet werden. Ein größeres Nachfolgedokument ist derzeit nicht in Sicht. Auch wenn vereinzelt Politiker wie zuletzt Deutschlands damaliger Außenminister Guido Westerwelle im Jahr 2012 wieder eine Diskussion anstoßen wollen, gibt es keine breites Interesse mehr, über die Grundlagen der EU zu debattieren. Maria Fekter sagte dazu 2012 zur "Zeit": "Ich kann mich gut an den letzten EU-Verfassungskonvent erinnern, an die endlosen Debatten und dicken Konvolute, die dann im Vertrag von Lissabon mündeten. Das jetzt aufzuschnüren ist schon eine große Vision. "

Zusätze statt Neuaufstellung

Stattdessen wird in der EU eine "Amandement"-Kultur forciert. Die großen Würfe bleiben aus, dafür sorgt man mit kleinen Änderungen und Zusätzen dafür, dass die bestehenden EU-Verträge aktuell bleiben. Damit können auch die langwierigen Ratifizierungsmechanismen umgangen werden. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel versuchte etwa zuletzt im Oktober 2013 ihre Kollegen aus den EU-Staaten davon zu überzeugen, mit einer Änderung des sogenannten Protokolls Nr. 14 im Vertrag von Lissabon einen Wettbewerbspakt vertraglich zu implementieren. Bisher erfolglos.

EU-Parlament bittet um Vertragsänderungen

Als einziges EU-Organ hat das EU-Parlament aktives Interesse daran, die EU-Verträge zu ändern. Die EU-Abgeordneten sind derzeit zum Beispiel nicht ermächtigt, über die Standorte des Parlaments zu entscheiden und den vielfach kritisierten "Reisezirkus" zwischen Brüssel und Straßburg zu beenden. Eine Änderung kann laut EU-Vertrag nur von den Regierungen der EU-Staaten beschlossen werden. Der Verfassungsausschuss des EU-Parlaments brachte deshalb im November 2013 einen Antrag zur Änderung des EU-Vertrags zur Abstimmung, der dem EU-Parlament die Befugnis übergeben würde. 483 EU-Abgeordnete, darunter alle österreichischen EU-Abgeordneten, stimmten dafür, dass sie künftig selbst ihren Arbeitsort bestimmen dürfen. Nun muss der Europäische Rat darüber tagen.

Europaparteien nur NGOs

Gescheitert ist der Verfassungsausschuss des EU-Parlaments bisher mit seinem Gesetzesvorschlag an die EU-Kommission, noch vor der Europawahl im Mai 2014 transnationalen europäischen Parteien einen gesetzlichen Status zuzugestehen. Derzeit ist zum Beispiel die Europäische Volkspartei (EVP) ein Bündnis mehrerer nationaler Volksparteien und deshalb rechtlich gesehen in Belgien als NGO registriert, nicht als Partei. Auch um eine transnationale Wahlliste erstellen zu können, wäre es notwendig, das Wahlsystem der EU zu reformieren. Damit müssten auch EU-Verträge tiefgreifend verändert werden.

Als eine der wenigen Parteien fordern die Neos in ihrem ersten EU-Wahlkampf einen Verfassungskonvent. Europa brauche eine europäische Verfassung, die unter Bürgerbeteiligung entstehe, so Parteichef Matthias Strolz. (Teresa Eder, derStandard.at, 31.1.2014)