Campen de luxe: Das Projekt "Wohnwagon" ist eines der raren Erfolgsbeispiele für ein Crowd-funding-Projekt. Noch werden zahlreiche Hürden beklagt - und auch die Spenderlaune hält sich hierzulande in Grenzen.

Foto: Wohnwagen

Den sprichwörtlichen Mist des Kleinviehs hat sich Crowdfunding zum Prinzip gemacht: Hat man eine Idee und braucht Geld, um diese umzusetzen, wendet man sich dabei nicht an einen Großinvestor oder eine Bank, sondern versucht, eine große Menge an Leuten zu überzeugen, kleine Summen für das Projekt zu geben. Meist funktioniert dies über eigene Internetplattformen.

In den USA längst etabliert und auch in Europa im Kommen, ist in Österreich mit dem Modell noch wenig zu holen. Im Vorjahr wurden in den USA 1,2 Milliarden Euro von der Crowd gesammelt; EU-weit waren es 735 Millionen, in Österreich 1,2 Millionen Euro. Mehr Öffentlichkeit für das kollektive Finanzierungsmodell zu schaffen, war daher die Intention der "Wirtschaft im Wandel"-Diskussion über Crowdfunding, zu der das Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium letzte Woche Donnerstag ins Haus der Europäischen Union lud. Vonseiten des Ministeriums wurde denn auch die Notwendigkeit von Alternativen zur Finanzierung auf Bankenbasis betont. Und EU-Kommissar Michel Barnier kündigte einen europäischen Aktionsplan zum Thema für Anfang März an, um Crowdfunding zu erleichtern.

Das Podium wurde dann den Praktikern überlassen. Als kriminalisierter Pionier hatte Heinrich Staudinger alle Sympathien auf seiner Seite. Bei der Bank abgeblitzt, borgte er sich von Bekannten und Unterstützern hohe Summen für seine Schuhwerkstatt im Waldviertel. Das brachte ihm neben dem Ruf als Innovator eine Geldstrafe und Probleme mit der Finanzmarktaufsicht ein, die durch deren Vorstand Klaus Kumpfmüller ebenfalls auf dem Podium vertreten war - launige Schlagabtausche waren die Folge.

"Crowdfunding ist eine Branche, die wächst wie keine andere", sagte Markus Roth vom Beratungs- und Entwicklungsunternehmen Creative Bits. Allerdings handle es sich in Österreich noch um kleine Summen. Das liege auch am politischen Rahmen: Ab einer Projektsumme von 250.000 Euro gilt in Österreich die sogenannte Prospektpflicht, es muss also ausführlich über das Projekt informiert werden. Der EU-Rahmen erlaube hingegen einen Spielraum von fünf Millionen Euro. Roth fände eine "Informationspflicht" als Zwischenschritt vor der Prospektpflicht sinnvoll.

In der Frühphase eines Start-up-Unternehmens sei es kaum möglich und wenig sinnvoll, ein Prospekt zu schreiben, stimmte Reinhard Willfort zu. Er gründete mit 1000x1000 eine der größten heimischen Crowdfunding-Portale. "Crowdfunding heißt Selbstverantwortung." Anstelle des Prospektes würden hier die Investoren die Kontrolle übernehmen.

Als Erfolgsbeispiel präsentierte Theresa Steininger ihr Unternehmen "Wohnwagon", das auf der Plattform Conda durch Kleininvestoren mehr als 70.000 Euro einnahm, um einen Prototyp des fahrbaren Eigenheims zu bauen. "So waren wir schon in einer sehr frühen Phase mit dem Markt in Kontakt. Die Rückmeldungen und die Energie, die wir erhielten, waren extrem wichtig." Fest stand für die Diskutanten: Crowdfunding wurde vor allem durch die Finanzkrise attraktiv, danach wurde es wieder schwieriger, Kredite aufzunehmen.

Wissenschaftsportal

Auch die zu großen Teilen unterfinanzierte Wissenschaft kommt langsam auf den Geschmack von Crowdfunding. "Die Forschungsfinanzierung über die öffentliche Hand ist massiv rückläufig. Da gibt es einen großen Kompensationsbedarf", sagt Rüdiger Schweigreiter. Er ist davon überzeugt, dass Crowdfunding diesen decken kann. Der Mediziner von der Universität Innsbruck gründete die erste Plattform Österreichs, auf der für wissenschaftliche Projekte gesammelt wird. Inject-Power ging im September letzten Jahres online.

Derzeit kann für 13 Forschungsvorhaben gespendet werden - etwa für die Entwicklung einer neuen Zelltherapie für Schmetterlingskinder oder die Aufarbeitung des österreichischen Amateurfilms. "Das Portal soll für Grundlagen- sowie für angewandte Forschung offen sein, und da ziehe ich explizit die Geisteswissenschaften mit ein", sagt Schweigreiter. Um die Qualität der Projekte sicherzustellen, können allerdings nur Mitarbeiter von Partnerinstitutionen von Inject-Power ihre Pro- jekte schalten, darunter die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft und das Naturhistorische Museum Wien. Universitäten konnten bisher noch nicht als Partner gewonnen werden.

Und auch die Spenderlaune hält sich bisher in Grenzen. Aber Schweigreiter ist optimistisch, dass sich der Trend auch in Österreich und auch für die Wissenschaft bewähren wird. "Es ist bemerkenswert, wie rasch diese Idee in den USA auch in der Wissenschaft Fuß gefasst hat." Dass sich der Staat durch Finanzierungsmodelle wie Crowdfunding aus der Verantwortung ziehe, sieht er nicht so. "Das wird immer eine zusätzliche Komponente sein."

Einen Forschungsförderungsantrag an eine öffentliche Institution zu stellen ist sehr aufwändig, aber auch Crowdfunding solle man sich nicht zu leicht vorstellen, betont Schweigreiter. Das Projekt müsse richtig betreut werden und den Usern das Gefühl vermitteln, dass jemand mit Herzblut dahinter ist. Schweigreiter rät den Wissenschaftern auch, die Spender von größeren Beträgen zu belohnen, etwa mit einer Laborführung oder einer Namensnennung in einer Publikation.

Bringen Unternehmen ein über Crowdfunding finanziertes Produkt auf den Markt, ist es üb- lich, dass die Geldgeber als Erste das Produkt erhalten beziehungsweise überhaupt am Unternehmen beteiligt werden - man spricht dann auch von Crowdinvestment. Hier steht eine Rendite in Aussicht. Dass sich auch das wissenschaftliche Crowdfunding in diese Richtung entwickeln könnte, will Schweigreiter nicht ausschließen. Einstweilen sei die Unterstützung von Forschung aber eine klassische Spende. "Es bleibt das gute Gefühl, etwas für den Wissensstandort getan zu haben." (Julia Grillmayr, DER STANDARD, 5.2.2014)