Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Spitzenforschungsinstitut vor 100 Jahren: Die Biologische Versuchsanstalt (BVA), damals bekannt als das "Vivarium".

Foto: Archiv der ÖAW

Cheryl Logan: "Hormones, Heredity, and Race: Spectacular Failure in Interwar Vienna", New Brunswick 2013, Rutgers University Press, 244 Seiten, € 51,-

Cover: Rutgers University Press

Hans Przibram war der seriöse Leiter der Biologischen Versuchsanstalt (BVA) in Wien, doch populärer waren zwei andere Forscher: Der Zoologe Paul Kammerer hatte mit seinen Versuchen zur Vererbung erworbener Eigenschaften für Aufsehen gesorgt. Der Physiologe Eugen Steinach war ein Pionier der Sexualhormonforschung und wurde mehrfach für den Nobelpreis vorgeschlagen.

Steinach, ab 1912 BVA-Abteilungsleiter, machte rund um den Ersten Weltkrieg mit einigen spektakulären Experimenten Furore: Zunächst gelang es ihm, durch Verpflanzung der Keimdrüsen bei Ratten und Meerschweinchen Geschlechtsveränderungen hervorzurufen. 1920 folgte dann eine weitere Sensationsmeldung aus Steinachs Labor: Er behauptete, dass man bei Tier und Mensch durch hormonelle Eingriffe Verjüngungseffekte erzielen könne.

Kammerer hatte vor allem aus "biopolitischen" Gründen großes Interesse an Steinachs Forschungen. Er sah darin eine Möglichkeit, gegen die in Deutschland immer stärker aufkommende Rassenbiologie zu argumentieren: Wenn es durch Hormone möglich ist, sogar das Geschlecht zu verändern, dann ist "Rasse" eine noch viel weniger in den Genen festgeschriebene Eigenschaft. Und eine bessere Gesellschaft würde man nicht durch Eliminierung "Minderwertiger" erreichen, wie rechte Eugeniker behaupteten, sondern vor allem durch eine Verbesserung der Umweltbedingungen.

In dieser Frage hatte Julius Tandler andere Ansichten, der dritte Held des verdienstvollen Buchs von Cheryl Logan, die dieser Tage beim Symposium zur BVA in Wien vortragen wird. Vom Anatomen und Wiener Gesundheitsstadtrat, der ebenfalls an Hormonfragen interessiert war, gibt es einige unzweideutige Aussagen zur "Vernichtung lebensunwerten Lebens". Tatsächlich war Tandler ein Befürworter von Sterilisierungen aus eugenischen Gründen. Mit seiner Gesundheitspolitik im "Roten Wien" hatte das freilich wenig zu tun. Auch Tandler setzte auf Verbesserungen der Lebensverhältnisse sowie Aufklärung - Maßnahmen, die auch tatsächlich umgesetzt wurden.

Die drei "Biopolitiker" wurden dann aber letztlich selbst Opfer der Verhältnisse: Kammerer beging bereits 1926 Selbstmord, der von den Austrofaschisten verfolgte Tandler starb 1936 im Exil in Moskau und Steinach 1944 im Exil in der Schweiz. (tasch, DER STANDARD, 5.2.2014)