Was das Europäische Parlament Dienstag in Straßburg auf den Weg gebracht hat, davon können so manche Volksvertretungen in den Nationalstaaten wohl nur träumen. Die EU-Abgeordneten haben mit riesiger Mehrheit von 618 Ja-Stimmen bei nur 20 Gegenstimmen in erster Lesung eine EU-Richtlinie beschlossen, die empfindlich hohe Haftstrafen für Manipulationen auf den Finanzmärkten vorsieht - als Mindeststrafen wohlgemerkt.

Eine EU-Richtlinie ist ein europäisches Gesetz. Die Mitgliedstaaten müssen das verbindlich in nationales Recht umsetzen, wollen sie nicht eine Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof und Strafzahlungen riskieren.

Das Besondere an dem Vorgang ist zweierlei: Zum einen bedeutet diese Richtlinie zur Verfolgung von Finanzbetrügern einen tiefen Eingriff ins Strafrecht der EU-Staaten, was heikel ist, besonders im Finanzbereich. Zum anderen ist es so, dass die Vorarbeiten dazu bereits seit Herbst 2012 liefen. Einige Regierungen der Mitgliedstaaten haben sich lange heftig dagegen gewehrt - mussten aber nachgeben.

Man muss nun sehen, ob bei der nötigen Bestätigung im EU-Ministerrat nicht doch noch der eine oder andere Staat versucht, die Sache zu stoppen. So war das etwa bei der Begrenzung von Managerboni, die auch vom EU-Parlament angeschoben wurde. Aber schon jetzt lässt sich sagen: Ein freies Parlament, das Regierungen antreibt, hat etwas Erfrischendes. Nicht nur weil im Mai EU-Wahlen stattfinden. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 5.2.2014)