Eldin Bajric, geboren 1984 in Sarajewo, ist in Deutschland aufgewachsen und seit 2010 in Wien. Er absolvierte die Diplomatische Akademie, hat ein Germanistikstudium abgeschlossen und ist aktuell Doktorand der Politikwissenschaften an der Uni Wien.

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Als bosnischer Staatsbürger bin ich einer von 1,58 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich. 1984 wurde ich in Sarajewo geboren, ausgebildet wurde ich in drei Ländern. Als der Krieg 1992 ausbrach, musste ich mit meiner Familie mein Heimatland verlassen. Meine zweite Kindheit verbrachte ich in Deutschland. In kürzester Zeit habe ich die Sprache erlernen können und mich damit rasch in das deutsche Schulsystem integriert. Nach sechs Jahren in Deutschland sind wir wieder nach Bosnien-Herzegowina zurückgekehrt. Dort habe ich mit Auszeichnung maturiert und mein Germanistikstudium erfolgreich abgeschlossen.

An der österreichischen Botschaft in Sarajewo wurde damals ein Mitarbeiter gesucht, und ich hatte Glück. 2010 begann ich mein Masterstudium an der Diplomatischen Akademie in Wien. Die Lebensart der Österreicher hat es mir erleichtert, mich rasch zu integrieren und mich wohlzufühlen. Natürlich waren dafür die Lebensjahre in Deutschland ein Vorteil.

Bis zum Doktorat

Danach begann ich ein Doktoratsstudium an der Universität in Wien. Nebenbei war ich auf Jobsuche, und dies erwies sich als schwerer als gedacht. Eine Herausforderung auf dem Arbeitsmarkt für gut ausgebildete Personen mit Migrationshintergrund sehe ich vor allem darin, dass es kaum Einsteigerjobs für bunte, vielfältig ausgebildete Quereinsteiger gibt.

Daneben engagiere ich mich ehrenamtlich in einem bosnischen Verein, der es sich zum Ziel gesetzt die sprachliche, berufliche und gesellschaftliche Integration von bosnischen, serbischen und kroatischen Migranten zu fördern. Dabei setzen wir uns insbesondere für die Integration durch Bildung ein. In den letzten Jahren habe ich nicht nur in der bosnischen Community ein breites Netzwerk aufgebaut.

Dieses Engagement hat mir andererseits auch Türen zu öffentlichen Institutionen und Multiplikatoren in Wien geöffnet. Ehrenamtliches Engagement garantiert zudem, dass die Migranten Zugang zu Informationen und Entwicklungsmöglichkeiten bekommen und eine aktive Rolle in der Gesellschaft wahrnehmen können.

Mögliches Verbesserungspotenzial

Was heute fehlt, ist vor allem eine sachliche und lösungsorientierte Integrationsdebatte. Integration ist ein gegenseitiger Prozess. Immerhin sind 65 Prozent der Österreicher der Meinung, dass beim Thema Integration seitens des Staates mehr getan werden muss (ÖIF-Forschungsbericht "Integration in Österreich", 2012).

Meiner Erfahrung nach sind bei der Integration von Migranten vor allem drei Aspekte zu beachten:

  • Aspekt der Identität: dem eigenen kulturellen Bewusstsein in einer neuen Umgebung treu zu bleiben - viele Migranten kämpfen mit der Angst vor dem Identitätsverlust.
  •  Rechtlicher Aspekt: das Verhältnis und die Anerkennung der Staatsgewalt - Zusammenleben braucht Regeln, Werte und Normen
  •  Bildungsaspekt: vielfältige Qualifikationen als Wert für Wirtschaft und Gesellschaft
  • Gesellschaftlicher Aspekt: aktives Engagement in der Gesellschaft als persönlicher Mehrwert. (Eldin Bajric, DER STANDARD, 8./9.2.2014)