Wenig schmeichelhaft für die Berufsgruppe fiel das wie eine Collage wirkende Gemälde "Die Journalisten" (1925) der Berliner Dadaistin Hannah Höch (1898-1978) aus.

Foto: Berlinische Galerie, Berlin/Wien 2014

Berlin/Wien - In Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften geht es bekanntlich um alles, jedenfalls um alles aus der Epoche zwischen den zwei Weltkriegen des 20. Jahrhunderts. So interessierte Musil sich etwa auch für Tennis, was zu einer bekannten Passage im Roman führte, der Beschreibung eines akrobatischen Schlags, den eine Spielerin "mit dem Gesicht einer englischen Gouvernante" ausführte. Musil-Biograf Karl Corino hat nachgewiesen, dass der Autor dabei eine Fotografie von Suzanne Lenglen vor Augen hatte, sodass die Passage eigentlich eine Bildbeschreibung war.

Auch für Heimito von Doderer war Tennis ein wichtiges Motiv, wie aus der Strudlhofstiege hervorgeht, wo die "süße, verfälschte Sprache" von Editha mit einem geschnittenen Ball verglichen wird - der Schnitt verfälscht den Ball nicht, sondern erhöht den taktischen Wert.

Im Jahr 1929 malte Lotte Laserstein in Berlin eine Tennisspielerin in Öl. Die Szene ist näher bei Doderer als bei Musil, es geht um die Freizeit gutsituierter Menschen. Die tief gebräunte Frau sitzt auf einer Bank und sieht auf ein anderes Paar, das wiederum einem im Hintergrund kaum ausnehmbaren Spiel zusieht.

In der Ausstellung Wien - Berlin. Die Kunst zweier Metropolen, die sich in der Berlinischen Galerie in Berlin zu einem der großen Erfolge dieser Saison entwickelt hat und ab Freitag im Wiener Belvedere zu sehen sein wird, bildet das Gemälde von Lotte Laserstein einen von vielen erhellenden Momenten. Es verweist auf den intensiven Austausch von Motiven und Techniken, der im frühen 20. Jahrhundert zwischen den Künsten einerseits und der gerade entstehenden massenmedialen Gesellschaft mit ihren großen Bereichen Sport, Unterhaltung, Tourismus herrschte.

Kamera statt Steigeisen

Das Belvedere konnte zu der Ausstellung zum Beispiel auch einen sehr fotorealistisch gemalten Luis Trenker von Sergius Pauser beisteuern, ein mittelgroßes Bild aus dem Jahr 1938, das den Berghelden als Fotografen zeigt: Die Kamera ist sein Utensil, nicht das Steigeisen. Laserstein und Pauser werden unter der Rubrik "Neue Sachlichkeit" gehandelt, was nach wie vor einer der wichtigsten Schlüssel zu dieser Zeit ist.

Dass Wien und Berlin sich hervorragend für eine Ausstellung eignen, die nach Epochenspezifik mit den Mitteln des Vergleichs fragt, liegt auf der Hand. Beide Städte sind Gründerzeitmetropolen, die sich nach 1918 mit einer Kultur der Niederlage und komplizierten Verfassungsfragen zu beschäftigen hatten. Dazu kam die boomende Populärkultur: Kino, Varieté, Sechstagerennen.

Die Ausstellung beginnt mit einem Abschnitt über die "beiden Secessionen"; hier wie dort spalteten sich Künstlergruppen aus den etablierten Institutionen ab und vollzogen damit ästhetisch die sozialen Veränderungen um die Jahrhundertwende nach. Eine Wärmehalle in Berlin (Ölbild von Jens Birkholm, 1908), ein Pülcher von Josef Engelhart aus dem Jahr 1888, immer wieder Bahnhöfe und natürlich Straßenszenen - vertraute Motivik verbindet sich hier mit unbekannten Namen und überraschenden Stimmungen. Die Ausstellung arbeitet sich danach durch die unumgänglichen Epochensignaturen, vom Expressionismus zur Neuen Sachlichkeit, mit einer dazwischengeschobenen interessanten Gegenüberstellung: Dem Berliner Dada entspricht hier der Wiener Kinetismus, ausgehend von Franz Cizek, der an der Wiener Kunstgewerbeschule ornamentale Formenlehre unterrichtete. Wiener Revolutionsszenen, die Erika Giovanna Klien 1930 als Aquarelle zu Papier brachte, zählen zu den kleinformatigen Höhepunkten einer Schau, die eine sehr vertraut anmutende Konstellation im Detail mit zahlreichen neuen Facetten bereichert. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 12.2.2014)