Die Zahnärzte sind alarmiert: Sie wollen erst mal mit den Krankenkassen verhandeln, wie viel sie künftig für Zahnspangen bekommen, wenn die Eltern nicht mehr dafür aufkommen müssen.

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Die Verblüffung im Hauptverband war groß am Mittwochmorgen. Über Nacht hatte die Koalition ein Paket geschnürt, das auch die Gratiszahnspange enthält - und zwar für alle unter 18, unabhängig von der sozialen Situation der Familie. Noch Anfang der Woche hatte Schelling im Gespräch mit dem Standard einen ganz anderen Kompromiss skizziert: Er plädierte "für eine Hilfestellung, wo es eine medizinische und finanzielle Notwendigkeit gibt".

Keine 48 Stunden später sah dann die gesundheitspolitische Welt ganz anders aus. Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) verkündete stolz seine Einigung mit der ÖVP: 80 Millionen Euro will die Regierung künftig pro Jahr für die Gratiszahnspange in die Hand nehmen, bezahlt werden medizinisch notwendige Regulierungen. 85.000 Kinder und Jugendliche sollen davon jährlich profitieren, verspricht sich Stöger. Wirksam wird die Maßnahme Mitte kommenden Jahres.

Echte Begeisterungsstürme löste das beim Hauptverbandschef nicht aus: "Wenn die Regierung das Geld dafür zur Verfügung stellt, ist das in Ordnung", sagt Schelling - wenngleich er weiterhin bezweifelt, dass eine Gießkannenlösung sinnvoll ist. Zu seiner Beruhigung dürfte eine Aussendung von Finanzstaatssekretärin Sonja Steßl (SPÖ) beitragen, die versicherte, jene 40 Millionen pro Jahr aus dem Strukturfonds, der zur Konsolidierung der Kassen bestimmt ist, seien gesichert.

Schelling bezweifelt freilich die Berechnungen des Gesundheitsministeriums: Im Hauptverband habe man den jährlichen Finanzbedarf für die Gratiszahnspange bisher mit 114 Millionen Euro angesetzt. Nun müsse man neu rechnen, und letztlich stehe und falle der Budgetrahmen ohnehin mit der Frage, welchen Honorarvertrag man der Zahnärztekammer abringen kann. Schelling betont: "Sollte die Gratiszahnspange mehr kosten als budgetiert, muss das Gesundheitsministerium dafür aufkommen."

Schwieriges Gesprächsklima

Während die Ländervertreter von Kassen und Ärztekammer die meisten Honorarverträge ausverhandeln, ist der Sparringpartner für die Zahnärztekammer der Hauptverband. Und ausgerechnet da ist das Gesprächsklima schwierig - versucht Schelling doch schon seit Jahren, den Zahnärzten neue Kassenleistungen abzuringen. Gescheitert ist das bisher an Gesprächsverweigerung, die jeder jeweils dem anderen zuschiebt.

Schelling meint, er sei nicht sicher, "ob die Zahnärzte überhaupt eine Lösung wollen". Nicht zuletzt, weil bei einem Kassenvertrag finanziell am Ende weniger herausschauen könnte für Zahnärzte, als wenn sie sich ihre Preise quasi mit dem Patienten ausverhandeln können: "In der Zahngesundheit ist viel dem freien Markt überlassen", meint Schelling.

Einen anderen möglichen Grund für den ärztlichen Widerstand erzählt man sich nur hinter vorgehaltener Hand: Derzeit wird in den Praxen vieles an der Steuer vorbei abgerechnet - zur Freude von Ärzten und Patienten. Wenn es in den Ordis mehr Kassenleistungen gibt, ist es damit vorbei.

Das alles weist Claudius Ratschew, Sprecher der Zahnärztekammer, weit von sich. Man sei jederzeit zu Gesprächen bereit, gelte es doch bei der Gratiszahnspange eine Reihe von Fragen zu klären: Welche Art von Regulierung wird bezahlt? Was sind medizinische Gründe - fällt darunter auch seelische Belastung durch schiefe Zähne? "Zahnspangen werden ja nicht in der Löwelstraße gemacht", sagt Ratschew. Immerhin: Für die Frage, was medizinisch indiziert sei, gebe es einen international anerkannten Kriterienkatalog. Auf den setzt auch Stöger, der gleichzeitig einräumt, dass es einen "Randbereich" des medizinisch Notwendigen geben werde.

Bei der Bewältigung des zu erwartenden Runs auf die Zahnspangen sollen auch die Ambulatorien der Gebietskrankenkassen mithelfen, die nicht gewinnorientiert arbeiten. Ihr Leistungskatalog wurde vergangenes Jahr erweitert. (Andrea Heigl, DER STANDARD, 13.2.2014)