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Rodarte druckt "Star Wars"-Motive auf Abendkleider.

Foto: Reuters/thayer

So schnell wie in New York ändert sich die Mode nirgends. In Mailand zum Beispiel defilieren Saison für Saison dieselben Designermarken, in Paris übernimmt hin und wieder immerhin ein neuer Modemacher eine der Traditionsmarken. In New York aber schießen die neuen Namen mit der gleichen Geschwindigkeit in den Designerhimmel wie sie auch wieder auf den Boden krachen. Bekannte Beispiele sind die Labels Rodarte und Alexander Wang.

Hinter Ersterem stecken Laura und Kate Mulleavy, zwei Schwestern aus Kalifornien, die sich von Horrorfilmen genauso gerne beeinflussen lassen wie von Gänseblümchen. Mit ihren schräg romantischen und von Hand gearbeiteten Kleidern sind sie vor einigen Saisonen zu Lieblingen der amerikanischen Modeszene aufgestiegen. Ihr Rezept: die Übersetzung der Obsessionen der eigenen Kindheit in Mode.

Topflappentops mit Jogginghosen

In ihrer Kollektion für kommenden Herbst und Winter schaut das folgendermaßen aus: Topflappentops werden mit Jogginghosen kombiniert, drapierte Kleider mit Star Wars-Motiven treffen auf glitzerbunte Parkas in Discofarben. Eine Kollektion, mit der zwar jeder Psychotherapeut Freude hätte, die aber ein ziemliches Minderheitenprogramm sein dürfte. Den beiden Schwestern fehlt ein bisschen der Glitzer, nach dem sich die amerikanische Mode so sehr sehnt.

Diesen liefert jemand wie Alexander Wang. Auch er ist erst seit einigen Jahren im Geschäft, anders als die Mulleavy-Schwestern wusste er den Hype, der Jungdesigner in den USA traditionell umgibt, aber zu nutzen. Seitdem er zum Chefdesigner von Balenciaga in Paris ernannt wurde, wird sein Name in einem Atemzug mit jenem von Marc Jacobs genannt. Und wie diesem erlaubt man auch dem Sohn chinesischer Einwanderer, der in San Francisco aufgewachsen ist, Extravaganzen.

Diese äußerten sich diesmal in einer Showlocation in Brooklyn, das zwar nur über die Brücke, in den Augen der Manhattaner Modecrowd aber auf einem anderen Stern liegt. Über die An- und Abreise zur Wang-Show wurde denn weitaus heftiger diskutiert als über Wangs Kollektion.

Fusion von Straßen- und Designermode

Das hat er nicht verdient: Wang bringt nämlich ein Kunststück zustande, an dem viele andere Designkräfte in dieser Stadt scheitern, nämlich die Fusion von Straßen- und Designermode. Auf kerzengerade geschnittene 1960er-Jahre-Kleider pappt er Cargotaschen, Rauledermäntel mit Felljacken schneidet er am Saum wie mit einer Schere ab. Preislich bewegen sich seine Kreationen auch in Sphären, zu denen der gehobene Konsument Zutritt hat.

Das hat er mit Marc by Marc Jacobs gemein. Bei der Zweitlinie des Königs der New Yorker Mode (MBMJ) haben vor einem halben Jahr zwei neue Designer das Ruder übernommen: Luella Bartley und Katie Hiller. Und die beiden liefern gleich eine der stärksten Kollektionen der vergangenen Woche ab: Mädels mit Zöpfen und in poppigen Ninja-Monturen, die Streifenshirts mit hoch sitzenden Bundfaltenhosen und extrabreiten Gürteln kombinieren und Tüllröcke mit Lederjacken.

Happy Days bei Marc Jacobs

Und Marc Jacobs selbst? Seine letzte Modeschau war noch ganz in Schwarz gehalten. Die jetzige ausschließlich in Pastelltönen. Louis Vuitton (und damit Paris) hat der Designer vor einem halben Jahr den Rücken gekehrt, in New York bereitet er gerade den Börsengang mit seiner eigenen Marke vor.

Als die Models Donnerstagabend zum Abschluss der New Yorker Modeschauen über den Laufsteg schritten, drang denn eine Version des Songs Happy Days Are Here Again aus den Boxen. Weiche, fließende Double-face-Wollkleider mit dazu passenden Leggings eröffneten die Show, in den Haaren trugen die Models Haarbänder, an den Füßen bequeme Sneakers.

Die anfänglichen Komfortkleider wurden aber schnell von etwas aufwendigeren Teilen abgelöst: Plötzlich zierten Organza-Rüschen die Tunika-Kleider, die Oberteile schimmerten durchsichtig, mit Pailletten besetzte Trägertops wurden mit Dreiviertelhosen kombiniert. So relaxt hat man Jacobs schon lange nicht mehr erlebt.

Coole Skikleidung

Neben den vielen amerikanischen zeigen in New York auch viele europäische Labels ihre Kollektionen. Lacoste zum Beispiel gelingt mit einer vom Golfsport inspirierten, fast zur Gänze monochromen Kollektion eine sehr zeitgemäße, gleichermaßen modische wie funktionale Kollektion (Designer: Felipe Oliveira Baptista), Moncler demonstriert dagegen mit seiner Grenoble-Linie, wie cool Skikleidung sein kann, und bei Hugo Boss, da darf der neue Designer Jason Wu das erste Mal zeigen, was in ihm steckt. Das Ergebnis ist eine strenge, an der Formensprache des Bauhauses orientierte, mit einigen wenigen Farben spielende Damenkollektion.

Auch die Premiummarke von Diesel, Diesel Black Gold, ist schon seit vielen Saisonen in New York präsent. Zum zweiten Mal zeigt jetzt der neue Designer Andreas Melbostad seine Entwürfe, in Florenz waren es vor einigen Wochen noch jene für die Männerwelt, am Hudson zeigt er jetzt tief sitzende, rasiermesserscharfe Jeans, futuristische Flapperdresses und silberbeschichtete Parkas für die Damen.

Etwas aus der Zeit gefallen dagegen Tommy Hilfiger: Seine Models haben Bommelhauben auf dem Kopf, die Taille umwehen Flatterröcke im Tartanmuster, den Oberkörper halten Lammfelljacken warm. Seine Mode erinnert an die vielen T-Shirts und Sneakers-Kollektionen auf der New York Fashion Week, bevor all die jungen Labels die Laufstege enterten und New York neben London zum interessantesten Ort für junge Mode machten.

Eines von ihnen ist Hood by Air, eine Marke, die man eher auf den Pariser Laufstegen vermuten würde als am Pier 66 am Hudson. Die Musik ohrenbetäubend, das Licht flattrig, die Models von der Straße, die Mode eine Mischung aus Punk und Rave. Ob für bärtige Männer oder tätowierte Frauen, für Jung oder Alt, Schwarz oder Weiß, die Grenzen sind hier aufgehoben. Wer zur In-Crowd zählen will, sitzt bei Hood by Air in der ersten Reihe. In dieser Saison zumindest. In der nächsten könnte sich das in New York schon wieder geändert haben. (Stephan Hilpold aus New York, DER STANDARD, 15.2.2014)