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Nach mehr als zehn Monaten hat es der designierte sunnitische Premier Tammam Salam geschafft, die verfeindeten Parteien in einer "Regierung des Nationalen Interesses" zusammenzuführen.    

Foto: Reuters/Azakir

Die verfeindeten Lager und ihre externen Unterstützer haben eingesehen, dass alles gut ist, was der Stabilität dient.

Beirut/Wien – Mehr als zehn Monate, nachdem Tammam Salam im April 2013 mit der Regierungsbildung beauftragt wurde, ist das Werk gelungen: Der Libanon bekommt eine "Regierung des Nationalen Interesses" , die Übergangsregierung von Najib Mikati, der 2011 als von der schiitischen Hisbollah gestützter Regierungschef angetreten war, hat ausgedient. 

Der Prozess, der nun zu einem gemeinsamen Kabinett der verfeindeter Lager – der Hisbollah-dominierten "Allianz des 8. März"  und der "Allianz des 14. März"  des Sunniten Saad Hariri – geführt hat, war lange festgefahren. Zu Jahresbeginn hatte der in Saudi-Arabien lebende Hariri jedoch seine Widerstände gegen eine Koalition mit der Hisbollah aufgegeben – was dem Einfluss Saudi-Arabiens zugeschrieben wurde. 

Am Schluss lag jedoch der Ball wieder im Hof der iranisch gesponserten Hisbollah: Zuerst weigerten sich das 8.-März-Mitglied Michel Aoun beziehungsweise sein Schwiegersohn Gebran Bassil, das Energieministerium – heute umso wichtiger angesichts der Gasfunde vor der Küste – abzugeben. Dann gab es noch einen Streit um die Besetzung des Innenministeriums. Die Hisbollah wollte den zuerst vorgeschlagenen ehemaligen Polizeichef Ashraf Rifi nicht akzeptieren, fand sich aber letztlich mit einem Kandidaten von Hariris Zukunftsbewegung, Nuhad Mashnuk, ab.

Rifi wird nun im neuen Kabinett Justizminister und Bassil Außenminister, wobei das Energieministerium an Arthur Nazarian geht, aus der mit der Aoun-Partei (Freie Patriotische Bewegung) verbündeten Armenier-Partei Tashnag. Die Formel im neuen Kabinett ist 8-8-8: je acht Minister von 8. März, 14. März und acht, die als "neutral"  gelten, darunter auch Drusen des vom 8. März abgesprungenen Walid Jumblat (Progressive Sozialistische Partei). Vorgesehen ist, dass die Ministerien zwischen den Parteien rotieren, was die alten Parteiansprüche auf Ministerien durchbrechen soll.

Dass es allerdings jemals dazu kommt, ist nicht sicher: Die tiefe Spaltung des Landes entlang des Syrien-Konflikts bleibt bestehen, die Regierung wird von Stunde eins ihres Bestehens an – sie muss noch vom Parlament abgesegnet werden – zerbrechlich sein. Im Baabda-Abkommen versprachen 2012 zwar alle politischen Kräfte, den Libanon aus Syrien herauszuhalten. Aber Pro- und Contra-Assad-Sympathisanten geraten immer wieder aneinander, besonders in Tripoli, wo viele Alawiten leben. In Syrien selbst kämpft die Hisbollah auf der Assad- und radikale Sunniten auf Oppositionsseite, wobei die Aktivitäten von al-Kaida längst auf den Libanon übergeschwappt sind. Beide, Schiiten und Sunniten, sind Ziel von Attentaten. Dazu leidet der Libanon, der eine große palästinensische Flüchtlingspopulation – mit einer religiösen Radikalisierungstendenz – hat, unter dem Zustrom syrischer Flüchtlinge, die ihr Elend, aber auch politische Spannungen mitbringen. 

Die erste Belastungsprobe der Regierung wird die Einigung auf einen neuen Präsidenten sein, der durch das Parlament kommt: Michel Sleimans Amtszeit läuft Ende Mai aus. Auch Parlamentswahlen sind überfällig: Sie hätten im Juni 2013 stattfinden sollen, das scheiterte an einer Einigung auf ein Wahlgesetz. 

Nun sollen sie also in Kürze wieder in einer Regierung sitzen, die Hariri-Partei und die Hisbollah, deren bewaffneter Arm von der EU als Terrororganisation klassifiziert ist. In Den Haag läuft soeben der Prozess gegen fünf Hisbollah-Mitglieder, die für das Attentat verantwortlich sein sollen, bei dem im Februar 2005 Rafiq al-Hariri, Vater von Saad, getötet wurde. Libanons Regierung ist verpflichtet, einen Teil der Kosten zu tragen, auch das ist eine potenzielle Bruchstelle. (Gudrun Harrer /DER STANDARD, 17.2.2014)