Okay, das hat ein bisserl länger gedauert. Aber ich kann es erklären: Wir sind Gewohnheitstiere. Menschen im Allgemeinen - und Männer im Besonderen. So hat es ein Werbe- und Marketingguru einst erklärt: Frauen suchen Kontinuität, sichern sich ihre Meinung aber durch kleine Experimente hin und wieder ab - aber Männer sind erstaunlich treu. Markentreu, wohlgemerkt. Und zwar dann, wenn sie etwas a) halbwegs kapiert und b) für gut und brauchbar befunden haben.

Darum bleiben Männer "ihrer" Automarke so treu wie "ihrem" Fußballverein - oder Kosmetikprodukten. Oder der Rasiertechnik: Der Marketingfuzzi hatte das erläutert, als sein Kunde vor etlichen Jahren das Rasier-Rad neu erfunden hatte - und ich fragte, wieso die Werbelinie nur auf nass rasierende Männer abziele. Die Elektrikfraktion sei doch auch da. "Vergiss es. Männer, die sich einmal entschieden haben, haben sich entschieden. Da ist nix zu holen."

Was das mit Laufen zu tun hat? Achten Sie einmal darauf, zu welchen Marken Sie beim Laufkleidungskauf intuitiv eher nicht greifen - und hinterfragen Sie dann Ihre Motive: Grosso modo gilt nämlich, dass das Zeug - solange es sich in etwa im gleichen Preissegment bewegt - ziemlich ident performt. Der Rest ist Gewohnheit und Geschmack.

Darum hatte es Walter Wiesinger bei mir so schwer. Wiesinger arbeitet für Suunto. Suunto gehört zur finnischen Amersports-Gruppe. Amer-Marken sind unter anderen Atomic, Salomon, Arcteryx und Mavic. Ein Freund wird als Freerider von Atomic gesponsert. Irgendwann im vergangenen Herbst klopfte Suunto daher bei mir an: Wieso hierzublog getrackte Laufrouten immer von der Polar-Tracking- und Auswertungswebsite kämen? Gäbe es da einen Deal oder ein Gegengeschäft? Sooo übel seien Suunto-Sportuhren wohl nicht ...

Mitnichten. Und es gibt keinen Deal. Bloß: Ich laufe halt mit Polar. Ganz regulär und normal und ohne Nebenabsprachen gekauft. Es ist nicht meine erste Sportuhr. Aber seit ich vor einer Million Jahren im Fitnesscenter am Ergometer das erste Mal meinen Puls messen wollte, ist es eben Polar. Damals war das mehr oder weniger Zufall. Oder die "Beratung" eines Verkäufers, der da vielleicht die bessere Provision bekam. Oder Farbe, Form und Preis meiner ersten Einfach-Uhr. Aber weil ich das System kapierte, diverse Peripheriegeräte kompatibel sind und ich genau so funktioniere wie die meisten anderen Leute ... und so weiter.

Prägung funktioniert: Ich habe mich in den letzten Jahren immer wieder in Diskussionen gefunden, in denen ich mit anderen Hobbyläufern über die Performance und die Vorteile von Garmin-, Suunto- und Polar-Sportuhren nicht bloß diskutiere, sondern fast streite. So, als gäbe es da - auf dem Level auf dem wir Hobbyisten uns bewegen - tatsächlich relevante Unterschiede, die weniger auf Gewohnheit, als tatsächlich auf Qualität und Performance basieren.

Ich gebe es zu: Ich habe ein einziges Mal - vor Jahren - eine Garmin-Uhr getestet. Und sie nach einer halben Stunde entnervt abgeschnallt. Schuld war natürlich der Wecker und sein "Nichtfunktionieren" - und keineswegs mein auf Polar-Abläufe und -Logik konditionierter Zugang. Walter Wiesinger wusste und weiß all das - und ließ trotzdem nicht locker: Er würde mir zwei seiner Uhren zum Testen schicken, die Ambit 2 und die Ambit 2s. Ich solle mir die Dinger einfach in Ruhe ansehen.

Das mit den zwei Uhren war natürlich fies: Wiesinger weiß, dass ich auch am Berg unterwegs bin. Und dass ich dort mit meiner Polar keinen Auftrag habe - zumindest im Vergleich zur Ambit 2. Die ist nämlich ein echtes Outdoor-Spielzeug. Also eines, das einem am Berg mit barometrischen Daten, Höhenmesserei und Routen-Funktionen, die im Notfall auch den Weg nach Hause erklären können, ein paar Dienste erweist, die ein Laufcomputer nicht bietet. Dafür fehlen der Ambit 2 halt ein paar Sport-Features.

Die bietet dafür ihre "kleine Schwester", die Ambit 2s - auf Kosten von Barometer und Co. Weil die Suuntos ihre GPS-Module gleich in die Uhr einbauen, sind die Wecker deutlich größer und schwerer als Polar-Laufuhren. Bei denen ist der Satellitensignalfinder ein Extrateil. Was ist "besser"? Ich bin am Handgelenk das kleine, leichte Teil gewohnt ... Wiesinger wusste aber: Beim Freeriden, Bergsteigen und Skitourengehen würde ich die Suunto verwenden. Und lieben.

Aber beim Laufen? Natürlich habe ich beide Uhren auch beim Laufen ausprobiert. Und natürlich hat die Polar "gewonnen". Haushoch. Aber das hat eben nicht das Geringste mit ihrer tatsächlichen Performance zu tun: "Meine" Uhr bediene ich blind. Alle anderen muss ich behirnen. Manual-lesen ist kein Männerding - und "intuitiv" funktioniert halt lediglich, wenn da keine Vorprägung ist. Wie schon bei meinem  kurzen Ausflug nach Garmin-Land galt: I am biased.

Also gab ich die Uhr weiter. An Flo. Der ist Fotograf. Also Technikfreak. Außerdem Läufer in meiner "Gang" und Straßen-Radfahrer. Bisher lief er ohne Pulsmesser. Einfach so. Er trackte wie das Gros der Hobbyläufer: mit der "Runtastic"-App am iPhone. Doch weil die App Smartphone-Akkus (erst recht im Winter) rascher leer saugt, als viele Hobbyläufer einen Viertelmarathon je absolvieren wollen, fluchte Flo: Er trainiert unter anderem für die Transalp. Wird also im Sommer halbe und ganze Tage im Sattel sitzen. Und bei Runtastic sagte man mir dereinst auf die Frage nach den oft allzu rasch leeren Handybatterien ganz offen, dass Leute wie Flo schlicht nicht Zielgruppe der österreichischen Jedermannfitnessapp-Programmierer sind: "85 Prozent unserer Kunden laufen Distanzen unter acht Kilometern." Also etwa eine Stunde.


Foto: Flo Albert

Flo war von der Suunto begeistert. Nicht sofort - aber nach einer kurzen Eingewöhnungsphase: Die Benutzung des Weckers sei "intuitiv" und "eigentlich deppensicher" ohne Manual-Leserei möglich. Nach ein oder zwei nichtaufgezeichneten oder durch falsches/vergessenes Knopferldrücken wieder gelöschten Trainingseinheit habe er sowohl die Uhr, als auch das Webportal "perfekt" im Griff gehabt. Die über das "schön, übersichtlich und für mich gerade richtig verspielte" Webportal individuell programmierbaren Traininsgsdisplays am Wecker seien großartig. Tracking und Analyse funktionieren übersichtlich und feinstens, die Community- und Social-Network-Funktionen seien ebenso unnötig wie spaßig: Einzig die Smartphone-App sei "Mist". Aber die brauche und verwende er ohnehin nicht - weil das Handy daheim bleibe.

Fast wortident das Gleiche kam übrigens von einer Freundin, die sich unlängst, nachdem die Runtastic-App - samt zusätzlichem Pulsmesser-Dongle - sie während einiger 20-Kilometer-Waldläufe ständig auf halber Strecke im Stich ließ, im Garmin-Lager ansiedelte. Ich schnallte ihr dann meine Uhr um: "So ein Scheiß! Wie kannst du damit bloß arbeiten?", war noch das Freundlichste, was da kam. Prägung eben.

Natürlich gibt es auch "echte" Unterschiede: Die Polar-Webplattform ist beispielsweise nüchterner als die von Suunto. Aber ich behaupte, dass all diese Details auf dem Niveau, auf dem sich 80 Prozent der Läufer bewegen, schlicht und einfach keine Rolle spielen. So klagt zum Beispiel mein Laufbuddy Christoph, dass auf seinem Laufcomputer die von seinem Trainer definierten Trainingsziele und Sportzonen nicht mit denen der Hersteller-Trainingsportal-Software kompatibel seien - und er und sein Coach erst ein paar Umweg finden mussten, um bei der Auswertung dorthin zu kommen, wo sie hinwollten.



Ausschnitte aus der Seite der Polar-Webplattform.

 

Bloß: Das Problem ist lösbar. Für Profis. Und ohne Profi wäre Christoph nie in die Nähe des Problems gekommen. Und dass die gleiche Uhr auch von Olympioniken professionell verwendet wird ... Mein Fazit: Bei Laufuhren ist es so wie bei Laptops und Computern: Wir leisten uns Ferrari und Maserati - und fahren damit zu Billa und Hofer.

Ausschnitte aus der Webplattform von Suunto.

In einem Punkt sind sich alle meine Mitläuferinnen und -läufer aber einig. Und zwar unabhängig davon, ob sie mit Apps tracken oder Jünger irgendeiner Trainingsuhren-Marke sind: "Manchmal dauert es endlos, bis das GPS läuft", kam von jedem. Die Signalsuchzeit dürfte im Übrigen in einem direkten Zusammenhang mit dem Wetter stehen: Je stärker der Wind und je grimmiger die Kälte, desto länger dauert die Satellitensuche. Aber ich werde mich hüten, das meinen Freunden zu sagen. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 19.2.2014)