Michael Heinisch

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Bei der VA Tech Transmission & Distribution habe er gelernt, wie man ein Unternehmen mit Zahlen führt. 1992 habe der Umsatz 180 Mio. €, 2002 1,3 Mrd. € betragen. Der rasante Akquisitionskurs - begleitet von der Erstellung der Geschäftspläne - habe gezeigt, wie schnell man die Weiterentwicklung umsetzen könne. Eine solche Akquisitionswelle müsse Unternehmenskultur und -struktur erst einmal verkraften, im Zuge dieses Prozesses sei auch die Umstellung des Unternehmens auf Shareholder-Value erfolgt. Ein Paradigmenwechsel - ab nun steht der Eigentümer im Zentrum des Interesses, analysiert Michael Heinisch.

Wissensressourcen

Der gebürtige Wiener greift auf Wissensressourcen zurück, die er unter anderem beim Diplomstudium der Handelswissenschaften an der WU Wien und ebenda dem Doktoratsstudium - Dissertationsthema "Die Gestaltung unternehmensspezifischer Normen" - erworben hat: ein CV wie aus dem "Karrierebilderbuch".

Was mag den mit allen Insignien einer internationalen Karriere ausgestatteten 36-Jährigen bewogen haben, seine Position als Leiter des VA-Tech-Transmission & Distribution-Konzerncontrollings gegen den Vorsitz der Geschäftsführung in einer Ordensgruppe zu tauschen? Ein atypisch früher Anflug von Religiosität etwa?

Die Antwort: "Die St. Vinzenz Holding hat das Ziel, ein kaufmännisch ausgewogenes Ergebnis unter Wahrung der christlichen Identität zu erreichen. Das tägliche operative Geschäft, Leute wieder gesund zu machen und ihnen dabei in besonderer Weise zu begegnen, nämlich mit Kompetenz und Zuwendung", erläutert Heinisch. Und dass diese Konstellation der Erfüllung seiner immanenten Sehnsucht nach "erfolgreichem Agieren in einem professionellen Umfeld, das einen tieferen Sinn hat", gleichkomme.

Seit dem Gründungsjahr 1995 führt die St. Vinzenz Holding in einem Konzernverbund zusammengefasste Unternehmen des Gesundheitswesens. Im Einzelnen sind das das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Wien-Gumpendorf, das Orthopädische Spital Wien-Speising, das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz und das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried im Innkreis.

Die einzelnen Krankenhäuser verfügen über eine kollegiale Führung gemäß dem Krankenanstaltengesetz sowie handelsrechtliche Geschäftsführungen. Mit ihren 1600 Betten stellt die St. Vinzenz Holding einen der größten privaten Träger gemeinnütziger Einrichtungen im Gesundheitswesen dar. Im abgelaufenen Geschäftsjahr wurden insgesamt 80.199 Patienten stationär aufgenommen und 254.149 ambulante Behandlungen durchgeführt. Die einzelnen Küchen und Kantinen wurden in ein selbstständiges Unternehmen ausgegliedert (Wirtschaftsbetriebe GmbH). Die wirtschaftlichen Betriebe der St. Vinzenz Holding erzielten im Geschäftsjahr 2002 8,9 Mio. € Umsatz. Pflegeschulen (Vinzentinum), die Logistikfirma IML (Integrated Medical Logistic GmbH) und das Beratungsunternehmen Homacon ergänzen das Gesamtbild.

Michael Heinisch findet sich in einem Umfeld wieder, in dem Ordensschwestern Eigentümer, Führungskräfte und Mitarbeiter sind. "Schwestern, die die Begegnung der Not der Zeit mit Professionalität begegnen", so Heinisch. Und deren Motivation sei ihr innerer Auftrag.

Einheitliche Führung

Grundlegendes Ziel der St. Vinzenz Holding ist die einheitliche Führung der Beteiligungen, um ein Maximum an Synergien nutzbar zu machen.

Durch einen zentralen Einkauf wird die Einkaufsmacht des einzelnen Unternehmens massiv ausgebaut. Im Zentralbereich Informatik wurde innovatives Know-how gepoolt, in den Bereichen Controlling und Rechnungswesen wurden einheitliche Führungssysteme entwickelt. Darüber hinaus wird Best Practice erarbeitet und allen holdingeigenen Betrieben zur Verfügung gestellt. Da Gutes tun und darüber zu schweigen in unserem Zeitalter schon fast Sünde ist, baut Heinisch auf eine wirkungsvolle Public-Relations-Struktur in der St. Vinzenz Holding. "Wir müssen uns und unsere Leistungen glasklar positionieren, sonst bleiben eines Tages die Patienten aus", meint Heinisch.

Und eine Innovation immaterieller Art, die aber für Patienten einen "added value" bilde, wäre da noch zu erwähnen: Die Ordensschwestern bilden nur noch einen Bruchteil, nämlich drei Prozent der 3000 Mitarbeiter. Tendenz absteigend, denn Nachwuchs gäbe es praktisch keinen.

Damit ihr Geist, die Ordensphilosophie, mit den weltlichen Führungskräften als Trägern weiterlebt, hat Heinisch ein eigenes Wertemanagement eingeführt, das zum zentralen Bestandteil der Unternehmensstrategie erklärt wurde: "Jedem Krankenhaus steht neben dem Vorstand ein Wertevorstand vor, der dafür sorgt, dass menschliche Zuwendung vom Arzt über die Pfleger bis hin zur Sekretärin gelebt wird".

Etliche Stunden seiner Arbeitszeit verbringt Heinisch, Vater einer zweijährigen Tochter, derzeit im Auto und fährt von GmbH zu GmbH.

Weitere Zukunftsprojekte? - "Alle vinzentinischen Ordensspitäler sollen grenzüberschreitend vernetzt werden, um den Führungskräften mit internationalen Perspektiven neue Entwicklungschancen zu bieten, damit als Arbeitgeber noch attraktiver und somit noch wettbewerbsfähiger zu sein.

Standardfrage

Die Lektüre von Knut Bleichers "Das Konzept integriertes Management", habe ihn begeistert, Peter Druckers Standardfrage nach dem eigentlichen Kundenproblem "What Business are we really in?" versucht er laufend aufs Neue zu beantworten."

Das Management Zentrum St. Gallen ist für Heinisch die Wiege des systemischen Managementansatzes, nämlich Unternehmen nach dem Kundenbedürfnis auszurichten und "die richtigen Dinge tun, statt die Dinge richtig zu tun".

Von St. Gallen aus erreichte ihn 1996, als er in seiner damaligen Funktion als Geschäftsführer des Tschechischen Controller-Instituts in in Prag saß, ein Weichen stellender Anruf: "Arbeiten Sie für mich!", forderte der Managementexperte und Bestseller-Autor Fredmund Malik den damals 29-Jährigen auf. "Bei mir setzen Sie um, was Sie bei Bleicher und Drucker nur gelesen haben." - "Da konnte ich gar nicht mehr Nein sagen", resümiert Michael Heinisch heute den Beginn einer dreijährigen Symbiose, in der er für Maliks Unternehmensberatung Projekte von der Markenartikelstrategie über Kundendienst bis hin zu IT-Einführungen managte.

Sein persönliches Erfolgsrezept? "Jedem Menschen mit Wertschätzung entgegentreten, ihn wichtig nehmen". Das sei zwar manchmal zeitaufwändig, aber in einem Arbeitsumfeld mit dem Credo Menschlichkeit und Kompetenz ein Muss.

Woran er persönlich glaubt? "An die Anständigkeit. Sie ist wertbeständig und zahlt sich immer aus. Hohe Qualifikation zu liefern ist auch eine Art von Anstand." - Wer Heinisch je - und sei es nur flüchtig - begegnet ist, weiß, dass es sich bei diesem Credo um kein Lippenbekenntnis handelt. (DER STANDARD, Printausgabe vom 9.8.2003)