Thomas Trenkler

Graz - Peter Pakesch, seit Jahresbeginn Intendant des Landesmuseums Joanneum, hat sich erneut negativ über die Neue Galerie geäußert. In der Steirerkrone meinte er unlängst, ab dem Herbst werde es dort "wieder" Ausstellungen mit historischem und wissenschaftlichem Tiefgang geben: "Beliebigkeit hat keinen Platz mehr." In der Neuen Galerie, einer Abteilung des Joanneums, war man zuerst baff - und schnaubte dann vor Wut.

Denn mit der Themenausstellung MARS über "Kunst und Krieg", die von 10. Jänner bis 26. März lief, stellte Chefkurator Peter Weibel seinen Spürsinn für aktuelle Themen eindrucksvoll unter Beweis.

Und auch die darauf folgende Schau Phantom der Lust, die sich mit dem Einfluss des Schriftstellers Leopold von Sacher-Masoch auf die Kunst auseinander setzt, hat mit seinen Publikationen sowie dem abgeführten Symposion sehr wohl "historischen und wissenschaftlichen Tiefgang": Sie ist alles andere denn beliebig (Sacher-Masoch wirkte in Graz), wurde von der Kunstkritik gelobt - und erwies sich als Publikumsrenner: Phantom der Lust, wie MARS ein Projekt von Graz 2003, wurde seit der Eröffnung am 26. April von knapp 40.000 Personen gesehen. Obwohl die Ausstellung alles andere denn voyeuristisch ist: Weibel achtete darauf, die Fülle an Exponaten in einem metallisch-eiskalten Ambiente zu präsentieren.

Als Koproduzent der beiden Ausstellungen ist Wolfgang Lorenz, Intendant der Kulturhauptstadt, über die Äußerungen von Pakesch erzürnt: "Le Monde zum Beispiel hat eine ganze Seite über Phantom der Lust gebracht: Weibels Schau sei das Ausstellungsereignis des Jahres! Im Übrigen finde ich es von Pakesch unerhört und unfair, sein eigenes Team öffentlich zu denunzieren."

Ein Besuch der Schau ist also angeraten. Sie läuft aber nicht mehr lang: Lorenz und Weibel laden am 23. August um 19 Uhr zur Finissage samt Technoparty ein. Eine Stunde zuvor wird vor dem Haus Wickenburggasse 1, in dem Sacher-Masoch lebte, eine ins Trottoir eingelassene Gedenkschwelle enthüllt. Und wie am Samstag wird die Neue Galerie auch am 24. August bis Mitternacht offen halten.

Lorenz, eigentlich ORF-Stratege, ist aber auch dieses Wochenende in Sachen 2003 aktiv: Am Sonntag führt er mit Martin Traxl eines der Kultursommergespräche (ORF 2, 10-10.45 Uhr). Ein Thema könnte die Nachhaltigkeit sein, die Lorenz von Beginn seiner Grazer Tätigkeit als zentrales Motiv, die Kulturhauptstadt auszurichten, genannt hat. Denn erst jetzt beginnt Christian Buchmann, der neue Kulturstadtrat (VP), über die Zukunft (Jahresschwerpunkte) nachzudenken. Beziehungsweise: Er lud die Grazer Kulturszene kürzlich ein, Ideen zu liefern.

Reichlich spät, findet Lorenz, wenn nicht zu spät: "Ich verstehe, dass man abwarten wollte, wie Graz 2003 wahrgenommen wird. Aber nach der Gemeinderatswahl im Jänner beziehungsweise nach der Einsetzung der neuen Stadtregierung im März hätte man den Takeover 2004 vorbereiten müssen. Es kränkt und schmerzt mich, dass der internationale Qualitäts-, Quoten-und Medienerfolg der Kulturhauptstadt in Graz bisher keine Konsequenz hatte."

Lorenz ortet bei den Kommunalpolitikern eine "retro-statt zukunftsorientierte Haltung": Man wolle nur husch, husch zurück ins Körbchen. Anders ließe sich Buchmanns Ankündigung, die regionalen Künstler und die bei Graz 2003 angeblich Zu-kurz-Gekommenen besonders zu fördern, nicht erklären. Auch die Entscheidung, dass der Stadtrat nur "viertelressortmäßig" für die Kultur zuständig ist (neben Wirtschaft, Wissenschaft und Tourismus), deute daraufhin. Die Tendenz sei (frei nach Peter Handkes Kaspar): Es möge alles so werden, wie es einmal gewesen ist.

Sein Job ist es nicht, über das Werkstück Graz 2003 hinaus Konzepte zu legen, sagt Lorenz. Aber es sei ihm völlig unverständlich, dass man nicht auf das Know-how der Kulturhauptstadtmacher zurückgreifen wolle. Auf seinen Vorschlag, das 2003-Kernteam (ohne Lorenz) mit der Programmierung und Durchführung der kulturellen Aktivitäten ab 2004 zu beauftragen, habe Buchmann bloß mit dem Slogan "Amt managt selbst!" reagiert. Lorenz interpretiert den Konter so: "Man möchte selbst die Subventionsvergabe steuern, das Geld wieder politischer machen." Und das findet Lorenz schade, ziemlich schade sogar.

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von
Graz 2003.
Redaktion: Thomas Trenkler