Ein Blauaugenmaki (Eulemur flavifrons) im Sahamalaza–Iles Radama National Park im Nordwesten der Insel Madagaskar. Nur 7,6 Millionen US-Dollar wären nötig um diese und zahlreiche andere Lemurenarten zu retten, glauben die Wissenschafter.

Foto: Nora Schwitzer

Wien - Lemuren zählen zu den am stärksten bedrohte Säugetier-Gruppen der Erde. Dies liegt unter anderen daran, dass sie ausschließlich auf der Insel Madagaskar vorkommen, deren Wälder durch Wilderei, Abholzung und Bergbau zunehmend unter Druck geraten. Wissenschafter fordern nun im Fachjournal "Science" einen dreijährigen Notfalls-Plan, um das völlige Aussterben zahlreicher Lemuren-Arten zu verhindern. Nötig seien dafür nicht mehr als 7,6 Millionen US-Dollar (5,53 Millionen Euro).

Rund 100 Lemuren-Arten leben auf Madagaskar, sie stellen damit mehr als 20 Prozent aller Primatenarten. Doch der Lebensraum der Tiere - tropische und suptropische Wälder - wird immer kleiner. Nur mehr zehn bis 20 Prozent der ursprünglichen Wälder sei noch intakt, schreiben die Wissenschafter in "Science", darunter Marni LaFleur vom Institut für Populationsgenetik der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

Vor allem in den vergangenen Jahren mit politischen Unruhen seien viele Schutzgebiete verschwunden. Die Konsequenz: Laut Weltnaturschutzunion (IUCN) gelten mittlerweile 94 Prozent der Lemuren-Arten als gefährdet, 2008 waren es erst 74 Prozent.

Kaskade weiterer Artenverluste befürchtet

Doch die Lemuren haben eine wichtige ökologische Rolle, ihr Aussterben würde eine Kaskade weiterer Artverluste nach sich ziehen, warnen die Forscher. So hängen Raubtiere wie die Madagaskarhöhlenweihe oder die Fossa von den Lemuren ab, diese sorgen auch für die Verteilung von Pflanzensamen, erklärte LaFleur gegenüber der APA. Die Kanadierin hat ihr Doktorat über die Ökologie einer Lemurenart geschrieben, ist Mitglied einer Gruppe von Primaten-Spezialisten des IUCN und arbeitet seit vergangenem Jahr als Postdoc an der Vetmed.

Auch der Hauptautor des "Science"-Artikels, Christoph Schwitzer von der Bristol Zoological Society (Großbritannien), warnt in einer Aussendung der Vetmed: "Wenn wir nicht sofort handeln, riskieren wir den Verlust einer ganzen Unterordnung von Primaten." Er verweist aber auch auf die wirtschaftliche Rolle der zur Gruppe der Feuchtnasenaffen zählenden Primaten: "Lemuren ziehen Touristen an, die auf der Insel ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden sind."

Vergleichsweise wenig Geld nötig

Nach Ansicht der Wissenschafter könnten mit vergleichsweise geringen Mittel in Höhe von 7,6 Millionen Dollar zahlreiche Lebensräume geschützt werden. In ihrem Notfallplan schlagen sie Schutzmaßnahmen für 30 Gebiete vor, in denen gefährdete Lemurenarten leben. Als weitere Maßnahmen empfehlen sie einen Ausbau des Ökotourismus und den Aufbau von Forschungsstationen vor allem in den gefährdeten Gebieten. Der Tourismus würde der lokalen Bevölkerung eine Lebensgrundlage bieten und die ständige Anwesenheit von Wissenschaftern illegale Jagd und Abholzungen verhindern. Zudem sollte das Management von Schutzgebieten verbessert und diese unter Verwaltung lokaler Gemeinden gestellt werden.

"Wir laden alle Beteiligten dringend ein, unsere Bemühungen zu unterstützen, um den Fortbestand der Lemuren und den biologischen, kulturellen und wirtschaftlichen Reichtum, den sie repräsentieren, zu sichern", so Schwitzer, "Madagaskar - und die Welt - wäre zweifellos ärmer ohne Lemuren." Madegassische Behörden hätten bereits ihre Unterstützung zugesagt, sagte Lafleur. (APA/red, derStandard.at, 20.2.2014)