Kein Pechstein, sondern ein Beltracchi: "Akt mit Katze" malte der Fälscher 2002 auf eine alte Leinwand.

Foto: Repro/Katalog

Wien - Wie unmoralisch ist der Kunstmarkt? - unter diesem Titel hatten sich Donnerstagabend Experten und Insider zu einer Servus-TV-Runde versammelt. Diskutiert wurde über in der Nazi-Zeit "gehandelte" Kunstwerke und den größten Fälschungsskandal in der Geschichte des deutschen Kunstmarktes. Der über ein Kölner Studio zugeschaltete Wolfgang Beltracchi stahl jedoch dem alten Gurlitt die Show.

Der "Jahrhundertfälscher" erwähnte, "im Katalog Ihrer Albertina" eines seiner Werke entdeckt zu haben. Welche der (in der Sendung konsequent mit angeblich nur 300 in vier Jahrzehnten bezifferten) Fälschungen das war, sagte er nicht. Und keiner der Anwesenden wollte es wissen.

Auf Standard-Anfrage bestätigt Klaus-Albrecht Schröder nun, dass es sich dabei um Max Pechsteins Akt mit Katze handelt. 2007 war das Gemälde aus der Sammlung Hermann Gerlingers in einer Ausstellung (Expressiv! Die Künstler der "Brücke") zu sehen. Mehr gebe es dazu nicht zu sagen. Denn aus Sicht des Albertina-Direktors lässt sich das Thema Fälschungen auf Zuschreibungsfragen reduzieren, die für den Kunsthandel relevanter seien als für den Kunsthistoriker. Schließlich hätte keine der Beltracchi-Fälschungen die Kunstgeschichte oder deren Sicht auf einen Künstler verändert.

Ob er das vor kurzem erschienene 600-Seiten-Beltracchi-Epos gelesen habe? Ja, diese Automythologie sei für den Psychologen sicher ergiebiger als für den Kunsthistoriker. Dort kann man indes die Entstehungsgeschichte dieses "Pechsteins" nachlesen: Im Winter 2002 sei der an einem Aquarell des Künstlers orientierte "Viertelstundenakt" auf eine alte Leinwand gemalt worden. Danach lag das Werk "drei Wochen im Trockenschrank", einer Art Ofen, in dem die Fälschungen künstlich gealtert werden.

Es ist übrigens jenes Gemälde, auf dem im Zuge der Ermittlungen 2011 ein menschliches Haar gefunden wurde. Ein "Schnurrhaar" der Katze, hatte Beltracchi bei seiner Einvernahme gewitzelt. 2003 gelangte das Werk über das Auktionshaus Lempertz (Köln) - samt Gutachten der Pechstein-Expertin und Bestätigung des Künstlersohns - auf den Markt, wo es der Kunsthandel Henze & Ketterer für 430.000 Euro ersteigerte.

Dort erwarb es über ein Tauschgeschäft wiederum der Würzburger Kunstsammler Hermann Gerlinger. Abzüglich aller Kosten, beziffert Beltracchis Ehefrau Helene, seien ihnen nur 350.000 Euro geblieben. Ein Bruchteil jener Schadenersatzforderung gegen Wolfgang Beltracchi, die eine Gruppe von Gläubigern 2012 beim Insolvenzgericht in Köln anmelden sollte: deren Forderungen (u. a. Wiedergutmachungen für Imageschäden) belief sich auf ca. 1,95 Millionen Euro. (Olga Kronsteiner, DER STANDARD, 22.2.2014)