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In 3.000 Geschäften weltweit kann mit der virtuellen Währung bezahlt werden.

Foto: Reuters/Urquhart

Im unregulierten Schatten des Internet ist mit Bitcoin eine virtuelle Währung entstanden, die ebenso durch ihren stark schwankenden Kurs wie durch ihre Beliebtheit bei Kriminellen Schlagzeilen macht. Für die meisten Menschen sind das Gründe genug, sich von der Digitalwährung fernzuhalten. Doch Bitcoin taucht an immer mehr Orten als Möglichkeit des legalen Bezahlens für Dinge des täglichen Gebrauchs auf. Daher habe ich eine Woche damit verbracht, die virtuelle Währung zu nutzen – und war vom Ergebnis überrascht: Es war weder anonym noch anrüchig.

Meine Jagd nach Orten, an denen ich Bitcoin verwenden konnte, führte mich zwar in einen zwielichtigen Massagesalon – fragwürdige Ecken des Internets musste ich aber nicht besuchen. Ich nutzte Bitcoin, um Törtchen und Sushi in Geschäften der Nachbarschaft zu kaufen – und ich besorgte mit ein „Grumpy Cat"-Shirt bei Overstock.com.

Bitcoin ist noch nicht so weit, dass es Kreditkarten oder Paypal ersetzen kann. Breite Akzeptanz ist immer noch ebenso Fehlanzeige wie Regeln zum Verbraucherschutz und die von einer Währung gewohnte Wertstabilität. Nachdem Hackerangriffe zwei der größten Bitcoin-Börsen vorübergehend dazu zwangen, Auszahlungen auf Eis zu legen, befindet sich die Währung derzeit in einer Krise und hat rund ein Drittel ihres Wertes verloren. In der Woche, in der ich Bitcoin ausprobierte, stürzte die Währung um bis zu 7 Prozent ab.

Doch das hält mich nicht davon ab, einen kleinen Betrag in meiner virtuellen Geldbörse der ersten großen Internetwährung zu behalten. Ich bin kein Spekulant. Ich investiere mein Erspartes nicht in Bitcoin und würde das auch niemandem empfehlen. Ich bin daran interessiert, was Bitcoin hervorbringen könnte. Beispielsweise eine Art virtuelle Sammelbüchse für Online-Kunst oder kleine Spenden an Wohltätigkeitsorganisationen.

Kein großes Risiko nötig

Die gute Nachricht lautet, dass Sie kein großes Risiko eingehen müssen, um Bitcoin auszuprobieren. Ich habe für das Experiment nicht einmal eine ganze „Münze" gekauft, sondern nur ein Viertel eines Bitcoins. Zum Zeitpunkt des Kaufes entsprach das 160 US-Dollar beziehungsweise 116 Euro. Ich habe mir eine virtuelle Geldbörse erstellt, die verspricht, die Zeilen von Code zu schützen, die das virtuelle Geld darstellen und ihnen ermöglicht Bitcoin in Dollar und umgekehrt zu tauschen. Dazu verwendete ich Coinbase – ein Dienst, der Bitcoin mit dem regulären Bankkonto verknüpft und eine geringe Gebühr von einem Prozent für jede Transaktion verlangt.

Was mich am meisten überraschte war, dass Coinbase einiges von der Anonymität der Währung herausnimmt. Damit ich Bitcoin kaufen konnte, fragte mich das Unternehmen nach meinen Kontodaten, meiner Kreditkartennummer und sogar nach den Login-Daten für das Onlinebanking. Das Unternehmen speichert nicht alle diese Daten, nutzte sie aber, um den Verifikationsprozess zu beschleunigen, der in der Regel vier Tage dauert. Der Grund, warum all diese Informationen gesammelt werden, ist laut Firmenchef Brian Armstrong „Blödsinn" zu verhindern, damit traditionelle Banken Coinbase als legitim ansehen.

Coinbase ist es gelungen den Bitcoin-Einsatz zu vereinfachen. Um für das Sushi bei einem lokalen Geschäft zu bezahlen, nutzte ich die Coinbase-App auf meinem Android-Smartphone und scannte einen QR-Code ein. Apple AAPL -1,11% hat die Coinbase-App für das iPhone noch nicht zugelassen, doch dort können Zahlungen über das Web abgewickelt werden.

Die Risiken für Verbraucher im Alltag

Nachdem ich meine Sushi-Zahlung bestätigt hatte, wurde das Geld sofort überwiesen. Für Verbraucher kann die Geschwindigkeit von Bitcoin ein zweischneidiges Schwert sein: Wenn etwas schief läuft, gibt es keine dritte Partei, die eingreifen und das Geld im Fall der Fälle zurückbringen kann. Auch Rückabwicklungen können mit einer Digitalwährung, deren Wert derart volatil schwankt, schwierig sein. Zum Glück war ich mit meinem Sushi zufrieden.

Online-Bestellungen funktionieren auf dieselbe Weise. Auf der Overstock-Webseite wählte ich die Bitcoin-Zahlungsoption aus und scannte dann den Code mit meinem Smartphone.

Doch warum überhaupt den Aufwand betreiben und mit Bitcoin bezahlen? Bitcoin löse kein bei Verbrauchern verbreitetes Problem wie Geschwindigkeit und Komfort, sagt Mark T. Williams, der an der Boston University Finanzwesen lehrt und zu den Bitcoin-Skeptikern gehört. „Es löst ein Problem, wenn Sie Zeug heimlich verschicken wollen."

Auch wenn Coinbase und andere Bitcoin-Anbieter Informationen über Sie sammeln, können Sie versuchen, Zahlungen anonym abzuwickeln. Wenn Ihnen jemand Bitcoin persönlich gibt, können Sie eine Coinbase-Geldbörse einrichten ohne viele private Details anzugeben. Wollen Sie die Bitcoin dann jedoch in Dollar tauschen, müssen Sie sich verifizieren.

Händler davon zu überzeugen, Bitcoin zu unterstützen, wird nicht einfach werden. Rund 3.000 Geschäfte weltweit akzeptieren laut Coinmap.org Bitcoin für Zahlungen. Mehr als 60 davon befinden sich im Großraum San Francisco, in dem ich lebe. Dennoch hatte ich Schwierigkeiten, Orte zu finden, an denen ich mit Bitcoin zahlen konnte. Wenn ich mal ein Geschäft gefunden hatte, war das Zahlen mit Bitcoin in der Regel schnell – doch definitiv nicht schneller als das Bezahlen per Kreditkarte oder Bargeld.

Finanzielle Anreize für die Nutzung von Bitcoin

Overstock plant finanzielle Anreize für die Zahlung mit Bitcoin. Weil Bitcoin-Zahlungen dem Händler die Kreditkartengebühren sparen, wird der Onlinehändler Kunden, die mit Bitcoin zahlen, ein Prozent des Kaufpreises als Gutscheinbetrag für den Store gutschreiben.

Als entscheidender Vorteil für Bitcoin könnten sich internationale Transaktionen herausstellen, die bei traditionellen Banken und selbst Online-Diensten wie Paypal langsam und teuer sind. Ich probierte Bitcoin im Wert von 10 Dollar an meinen Freund Kevin Hongkong zu senden. Innerhalb von Minuten war er auf Coinbase und schickte mir das Geld zurück. Auf der Stelle sendete ich ihm das Geld darauf wieder zurück – und wir waren fasziniert von diesem Ping-Pong-Spiel mit internationalen Überweisungen, die normalerweise Tage dauern würden.

Doch Kevin fand wenige Möglichkeiten die Bitcoin in Hongkong auszugeben. Er fand einen Massagesalon, der sie akzeptierte – doch seine Frau war wenig begeistert von seinem Vorschlag, ihn auszuprobieren. Endlich fand Kevin dann einen Blumenladen (von der Frau genehmigt) – doch für einen Blumenstrauß hatte ich ihm nicht genug Geld geschickt. Um mehr Bitcoin zu kaufen, fragte ihn ein vertrauenswürdig scheinender Dienst in Hongkong nach seinem Pass, einem Nachweis über seinen Wohnsitz – und noch mehr Zeit.

Vielleicht ist das eines Tages alles einfacher. Im Urlaub mit Bitcoin zu bezahlen, könnte ein Weg sein, Wechselstuben- und Kreditkartengebühren zu umgehen. Doch heute ist das noch nicht der Fall.

Die Worte „eines Tages" gingen mehr häufig während meines Bitcoin-Experiments durch den Kopf. Bitcoin mag eine Zukunftswährung sein, doch ich suche immer noch nach einem Grund, warum sie schon heute nützlich sein könnte. (Geoffrey A. Fowler, Wsj.de/derStandard.at, 22.02.2014)