Langlaufen lernen besteht vor allem aus Gehversuchen, erklärt einem ein Biathlon-Vizeweltmeister im Tiroler Kaiserwinkl.

Foto: Bernhard Bergmann

Das Glück beginnt mit einem kurzen Sprint zurück in den Skiverleih: Man will doch die Gruppe nicht warten lassen. In Vorfreude auf das, was folgen sollte, sind leider die Stöcke zurückgeblieben. Und Stöcke sind beim Langlaufen wie beim Lang-Stehen so eine Art Versicherung gegen ungewolltes Zu-Boden-Gehen. Noch dazu, wenn sich die Loipe wegen des nicht allzu üppigen Schnees mehr von der glatten und damit härteren Seite zeigt als von der sanften, weichen.

Bis zu den ersten Gehversuchen sollte es freilich noch ein Weilchen dauern. Denn wie bei jeder Sportart ist auch beim Langlaufen ein Vorwärmtraining das Um und Auf. Das hat im Tiroler Kaiserwinkl, wo man uns im Schnellsiedegang die Grundtechniken des Langlaufsports beibringen will, den Vorteil, dass man rundum eine herrliche Naturlandschaft vor Augen hat.

Der Walchsee mit der gleichnamigen Gemeinde ist nicht weit, eine Loipe führt sogar drumherum. Der Unterberg, der neben Alpinskifahrern auch immer mehr Tourengeher anlockt (Paragleiter sowieso), ist nur einen Steinwurf von der Nachbargemeinde Kössen entfernt. Die liegt freilich schon im Bezirk Kitzbühel, während der Walchsee und die dazugehörige Gemeinde noch zum Bezirk Kufstein gehören.

Das kümmert auswärtige Gäste null und soll auch uns Touristiker nicht hindern, zusammenzuarbeiten, mag man sich bei der Schaffung des bezirksübergreifenden Tourismusverbands Kaiserwinkl gedacht haben. Zu ihm gehören neben Walchsee und Kössen noch die Gemeinden Schwendt und Rettenschöss.

Zahmer Kaiser und sein Winkl

Der alte Kaiser, der den Sommer dem Winter vorgezogen und jenen meist in Bad Ischl verbracht hat, war vielleicht auch einmal in der Gegend. Oder auch nicht. Die Bezeichnung Kaiserwinkl für die Region, die unmittelbar an Bayern grenzt, hat jedenfalls nichts mit Franz Joseph oder einem anderen Habsburger zu tun, sondern mit einem Berg, dem Zahmen Kaiser. Der etwas höhere Wilde Kaiser ist sein Nachbar.

Inzwischen ist allen in der Gruppe vom Hüpfen und Armekreisen warm. Die meisten sind richtig heiß darauf, endlich die Langlaufbretter anzuschnallen. Wobei Bretter der falsche Ausdruck ist. Bei den Skiern handelt es sich um gepressten Kunststoff mit montierter Bindung. Manche Skier haben ein Loch in der Schaufel.

"Ein paar eingesparte Gramm beim Material heißt, dass ein Athlet übers ganze Rennen betrachtet einige Tonnen weniger zu bewegen hat", sagt Franz Schuler, der Langlauflehrer. Er muss es wissen. Schuler war aktiver Biathlet und hat 1986 bei der Weltmeisterschaft am Holmenkollen, dem Hausberg von Oslo, Silber geholt.

Skaten oder nicht skaten

Die Gruppe hat sich inzwischen geteilt. Die einen machen Langlauf klassisch in der Spur; wir skaten, laufen also neben der Spur. Zunächst gilt es aber das Gleichgewicht zu halten. "Der erste Schritt ist, richtig auf dem Ski zu stehen", sagt Schuler. "Nicht zu weit nach hinten, nicht zu weit nach vorn gebeugt, sonst liegst." Wichtig sei, zentral auf dem Ski zu stehen und die Kraft der Beine zu nutzen.

Im Schlittschuhschritt geht's vorsichtig los, zuerst ohne Stöcke, dann mit Stöcken - beides probiert, kein Vergleich. Dann lernen wir, in die Knie zu gehen, imaginäre Schneebälle aufzuheben, uns wie Schmetterlinge, dann wie Frösche vorwärtszubewegen. Dem Vizeweltmeister gefällt's, uns auch. Er bringt uns die Grundschrittarten bei und wie man die Stöcke richtig einsetzt.

Zur echten Herausforderung wird es, als wir uns 2:1 asymmetrisch fortbewegen sollten. Darunter versteht man einen versetzten Stockeinsatz mit Gewichtsverlagerung, Beinabstoß und Gleitphasen. Diese Technik empfiehlt sich, wenn es bergauf geht. "Übung macht den Meister", sagt Schuler, als es zu Beginn nicht so recht klappen will. Letztlich ist aber alles eine Frage der Koordination und der Ausdauer. Bis die Bewegungen in Fleisch und Blut übergegangen sind, wird es aber wohl noch ein Weilchen dauern.

Schneller geht es zurück nach Wien. Kein Ort im Kaiserwinkl ist länger als eine halbe Autostunde vom Bahnhof Kufstein entfernt. Von dort ist man dann mit einem schnellen Zug in weniger als vier Sunden in der Bundeshauptstadt. (Günther Strobl, Album, DER STANDARD, 22.2.2014)