Anita Zieher in der Rolle der Filmschauspielerin und Erfinderin Hedy Lamarr.

Foto: Werner

Was haben Marie Curie, Lise Meitner und Hedy Lamarr gemeinsam? Alle drei waren Pionierinnen in den Naturwissenschaften, und auch wenn ihre Biografien sehr unterschiedlich sind, so weisen sie doch unvermutete Parallelen auf, die vom Verein Porträttheater im neuen Stück "Curie_Meitner_Lamarr unteilbar" auf spannende Weise umgesetzt werden.

Vor der Kulisse eines fiktiven gemeinsamen Arbeitsorts - einer Kreuzung aus Labor und Hörsaal - personifiziert Anita Zieher, die Gründerin des Porträttheaters, nacheinander die drei Forscherinnen. Den Anfang macht Marie Curie, eine gebürtige Polin, zweifache Nobelpreisträgerin und Entdeckerin der Radioaktivität. Danach verkörpert die Schauspielerin die Wiener Atomphysikerin Lise Meitner, Entdeckerin der Kernspaltung und die Schauspielerin Hedy Lamarr, die ein Verfahren zur Funksteuerung entwickelte, das heute für WLAN und Bluetooth zum Einsatz kommt.

In der Wissenschaft sind die drei längst zu Namensgeberinnen von Stipendien, Preisen, Vortragsreihen und Hörsälen geworden. Und am Geburtstag von Hedy Lamarr, der sich am 9. November 2014 zum 100. Mal jährt, wird der Tag der Erfinder begangen.

"Jede für sich würde einen Abend füllen", sagt Anita Zieher, "weil wir sie aber gemeinsam porträtieren, kann ihr Werdegang nicht als Einzelschicksal missverstanden werden. Stattdessen werden strukturelle Bedingungen für Frauen in Wissenschaft und Technologieentwicklung in Vergangenheit und Gegenwart sichtbar."

Die Biografien bringen einige Parallelen ans Licht: Gemeinsam waren den drei Frauen Leidenschaft, Hartnäckigkeit und Ausdauer, aber auch der prägende Vater und die Anerkennung außerhalb der Heimat und ihre ablehnende Haltung zum Krieg. Zudem wurden sie in Fragen der Moral, der Sexualität und des Äußeren anders beurteilt als Männer.

Erarbeitet haben die Theatermacherinnen das Stück mit dokumentarischem Ansatz auf Basis historischer Originalquellen. Die Auswahl der Zitate und die Komposition der Monologe sind natürlich Interpretation. "Wichtig war uns, keine Säulenheiligen der Wissenschaft zu zeigen, sondern den Blick bewusst auf Ambivalenzen, Erfolge, Brüche und Hindernisse zu lenken", erklärt Sandra Schüddekopf.

Ziehrer und Schüddekopf lasen Literatur von und über die drei Frauen, ließen sich von Forschern und Forscherinnen in Fragen der Radioaktivität, Kernspaltung und Frequenzsprünge beraten, besuchten Teilchenbeschleuniger und Versuchsreaktor.

Potenzial zur anschaulichen Wissensvermittlung

Viele wissenschaftsaffine Kooperationspartner und Förderstellen (u.a. Uni Wien, TU Wien, Infrastrukturministerium, Wissenschaftsministerium, die Technologieagentur ZIT, das Science Center Network) erkannten das Potenzial des Theaterstücks zur anschaulichen Wissensvermittlung und unterstützten Entstehung und Qualitätssicherung.

Schüler und Schülerinnen des Wiener BORG 3 fertigten Büsten an, damit die drei Forscherinnen an den Unis (wo Anfang März gespielt wird) endlich Einzug in die Reihen kluger Männerköpfe aus Marmor halten können. Die im Stück eingespielten Videos mit den Jungforscherinnen Marielies Willensdorfer, Carla Goetze und Johanna Braendle sind in einer Kooperation mit der FH St. Pölten entstanden.

Die Materie musste jedenfalls gründlich durchdrungen werden. "Telefonate über Massenzahlen sind ganz normal für mich", lacht Anita Zieher, aktuell Kernspaltungsprofi. Das Stück habe ihre kindliche Neugier geweckt und konfrontierte sie mit eigenen vorgefassten Meinungen zu wissenschaftlichen Erkenntnissen à la "Atomkraft böse, Strahlentherapie und Radiokarbon-Datierung gut". Die Macherinnen möchten einen Impuls mitgeben, der auf eine einfache Formel gebracht werden könnte: "Ich will mehr erfahren."

Schon der Stücktitel "Curie_Meitner_Lamarr unteilbar" vereine dabei grundlegende Erkenntnisse aus der Wissenschafts- und Theaterwelt: Leben und Arbeit seien eine Einheit; das Wort Atom kommt aus dem Griechischen átomos (das Unteilbare), ebenso wie das Wort Theater (Raum zum Schauen). Und außergewöhnliche Leistungen werden eher von Teams erbracht, als von Einzelgenies. Lise Meitner und Otto Hahn entdeckten die Kernspaltung gemeinsam, auch wenn nur er den Nobelpreis bekam. Ebenso unteilbar sind Inszenierung und Schauspiel. (Astrid Kuffner, DER STANDARD, 26.2.2014)