Cartoon: STANDARD/Oliver Schopf

Wie viel möchten eigentlich Durchschnittsbewohner eines Wohnhauses mit ihren Nachbarn in Berührung kommen? Möchten sie in der Anonymität der Stadt untertauchen oder möglichst viele Freundschaften knüpfen?

Die meisten Teilnehmer des 48. STANDARD-Wohnsymposiums zum Thema "Kommunikation im Wohnbau: Fremde oder Freunde" sprachen sich vergangene Woche klar für Letzteres aus. Die Realität aber, so die Organisationsberaterin Andrea Graf in ihrem Kurzvortrag, sei aber anders. Auf einer Skala von 0 (völlige Fremde) und 100 (enge Freunde), auf der 50 bedeutet, dass man sich bei Nachbarn problemlos Werkzeug ausborgen kann, "spielt sich die gelebte Kommunikation meist zwischen 10 und 40 ab", sagte sie. Im Normallfall sei das genug, um Alltagskonflikte ohne Hilfe von außen beizulegen. "Was aber passiert, wenn das nicht ausreicht, wenn Konflikte eskalieren, sich Mieter nicht zufriedenstellend einigen können oder die stärkere Partei sich einfach durchsetzt", fragt Graf. Dann sei vor allem die Hausverwaltung gefordert.

Nicht planen, nur inszenieren

Auch Raimund Gutmann von wohnbund:consult, der Kommunikation und Mitbestimmung in zahlreichen Anlagen organisiert, sieht eine "'Balanced Community', die sowohl Freundsein als auch Fremdsein erlaubt", als wünschenswertes Ziel. Doch dies stelle sich nicht immer von selbst ein und sei auch kaum zu planen. "Sie kann maximal 'inszeniert' werden", sagt Gutmann.

Dies müsse bereits bei der architektonischen Planung neuer Wohnanlagen beginnen: Gibt es Orte, wo Bewohner bewusst oder spontan miteinander zusammenkommen? Gefördert werden kann dies auch bei der Einbeziehung zukünftiger Bewohner in Modellen der Mitbestimmung, betont die Architektin Cornelia Schindler, die mit ihren s&s Architekten den sozial innovativen Wohnbau so.vie.so am Wiener Hauptbahnhof geplant und dort intensiv auf Gemeinschaftsbildung gesetzt hat. "Es interessiert uns nicht der Luxus der Hardware, sondern der Luxus der Software: Wie leben Leute miteinander, was können sie miteinander tun?"

Hausverwaltungen gefordert

Vor allem Hausverwaltungen sind gefragt, die Kommunikation im Wohnbau zu fördern, so lautete der Tenor auf der vom Fachmagazin Wohnen Plus mitorganisierten Tagung, an der rund hundert Experten aus der Bau-, Immobilien- und Finanzbranche teilnahmen.

Für Gutmann gibt es dabei drei Stufen: zuerst einmal gute Information für die Kunden; dann die Erhebung von Meinungen, Anregungen und Hinweisen; und schließlich eine intensive Beteiligung durch gemeinsames Entwickeln von Ideen und Lösungen.

Auf allen drei Schienen aber würden außerdem Instrumente der "Old School" sowie Neue Medien zum Zug kommen - und dabei unterschiedliche Möglichkeiten bieten. Der ehemalige ORF-Journalist, Ex-SPÖ-Abgeordnete und jetzige Medientrainer Josef Broukal sprach von der "elektronischen Bassena", die durch den Vormarsch des Internets entsteht. "Früher ging man mit dem Wasserkandl auf den Gang und tratschte mit der Nachbarin", erzählte Broukal launig. "Heute sieht man sich fast nur noch im Aufzug, und das sind eher betretene Begegnungen, auch weil es meist so eng ist." Das Internet habe hier ganz neue Möglichkeiten geschaffen, die von Homepages über E-Mail-Verkehr, Blogs bis hin zu Facebook-Seiten und WhatsApp-Gruppen reichen.

Soft Skills gefordert

Aber all das sei nicht genug, wenn echte Konflikte ausbrechen, oft über banale Dinge wie Müll und Lärm, betont Graf. Dann müsse die Hausverwaltung vermittelnd eingreifen - und dies sei eine große Herausforderung für die Branche. "Es geht hier um ein Zusammenspiel von Hausgemeinschaft und Hausverwaltung, um ein soziales Management der Bewohner. Aber soziale Systeme kann man nicht nur verwalten." Hier seien von den Mitarbeitern ganz neue Soft Skills gefordert.

Konkrete Erfahrungen und Best-Practice-Modelle über alte und neue Kommunikationsformen präsentierten drei Bauträgervertreter aus Wien, Oberösterreich und der Steiermark. Und in der politischen Debatte zwischen der Wiener SPÖ-Politikerin Tanja Wehsely und dem Salzburger ÖVP-Abgeordneten Asdin El Habbassi zeigten sich trotz vieler Übereinstimmungen auch Unterschiede im Milieu. Wehsely trat für öffentliche Strukturen zur Förderung der Kommunikation ein, während der VP-Jungpolitiker sich wunderte: "Mir stellt es oft die Haare auf, wenn ich höre, es muss alles moderiert werden. Ich komme aus einer Gegend, wo es ganz normal ist, dass man sich grüßt." (Eric Frey, DER STANDARD, 26.2.2014)