Schreibt Thriller mit politischer Botschaft: Arne Dahl.

Arnald

Schlechtes Benehmen in Europa - darüber schrieb Arne Dahl einen Thriller mit dem Titel "Neid". "Invidia", der Neid, gehört zu den sieben Todsünden - hier gemalt von Hieronymus Bosch.

Foto: Erich Lessing

STANDARD: Bezahlen Sie lieber in Euro oder schwedischen Kronen?

Dahl: Mir ist der Euro lieber. Es ist auch wirklich etwas albern, Teil Europas und Mitglied der EU zu sein, aber nicht der Währungsunion beizutreten.

STANDARD: Schaffen Sie bei Ihren Lesern ein Bewusstsein für gesellschaftspolitische Themen?

Dahl: Mit dieser Frage habe ich einige Zeit gerungen. Bedeutet die Tatsache, dass ein Schriftsteller in einem populären Genre schreibt, automatisch, dass seine Texte sich in Unterhaltung verwandeln? Und findet Unterhaltung immer ohne ernsthafte Hintergründe statt? Meine Antwort ist ein lautes Nein! Wenn man gut genug schreibt, werden Fragmente ungelöster Gedanken in den Blutbahnen der Leser herumreisen und irgendwann auftauchen.

STANDARD: Der Kampf für Anstand und Moral ist das zentrale Thema Ihres neuen Romans. Wie steht es um diese Werte heute in Europa?

Dahl: Die EU startete als Friedensprojekt und war nebenbei auch ein gemeinsames Geschäftsmodell - man tat alles, um einen weiteren großen europäischen Krieg zu verhindern. In den 1980er-Jahren veränderte sich die EU radikal: die Wirtschaftsleistung war wichtiger als alles andere. Als in den 90ern der Jugoslawienkrieg begann, war klar, dass das Friedensprojekt Fassade war. Seitdem geht es nur noch ums Geld. Diese Richtung muss sich ändern, wenn wir eine Chance haben wollen, das Gesamtprojekt zu retten.

STANDARD: Wie soll das gehen?

Dahl: Wir Europäer haben eine Tradition der Intellektualität, Kunst, Freiheit, Demokratie und des Humanismus - das ist unsere Stärke, darauf sollten wir setzen. Darum beneiden uns andere Länder. Lasst uns sicherstellen, dass dies die fundamentalen Werte bleiben und wir nur auf dieser Basis Geschäfte machen!

STANDARD: In "Neid" setzt sich sogar eine mutige EU-Kommissarin für diese Ziele ein. Trauen Sie das einer realen Politikerin zu?

Dahl: Einige wenige setzen sich durchaus für die richtige Richtung ein. Das Problem ist jedoch, dass die Menschen, die an der Macht sind, meist ihre ganze Karriere lang genau das angestrebt haben: an der Macht zu sein. All ihre Visionen haben sie auf dem Weg nach oben verloren, sofern sie je welche hatten. Macht ist fast immer in den falschen Händen.

STANDARD: Existiert in Europa eine Polizeigruppe wie die von Ihnen erfundene Opcop-Einheit?

Dahl: Falls es sie gibt, arbeitet sie im Geheimen. Ich glaube, es gibt sie eher nicht. Vor ein paar Jahren sah es noch so aus, als ob man innerhalb Europas gemeinsam das organisierte Verbrechen bekämpfen wollte, ähnlich wie das FBI in den USA. Bei all den Spannungen zwischen den europäischen Ländern ist es jedoch unwahrscheinlich, dass man sich für so eine Zusammenarbeit entscheiden wird.

STANDARD: In Ihren Thrillern schildern Sie die Abgründe Europas: Menschenhandel, Korruption usw. Sind Sie ein Pessimist?

Dahl: Nein. Ich bin ein optimistisches Wesen und glaube an die Aufklärung. Der Zuwachs an Wissen in der Welt wird weitergehen. Die Frage ist nur, welchen Weg die Gesellschaft propagiert: Wollen wir wirklich eine Gesellschaft, die die Hälfte der Welt so arm macht, dass sie gefährlich wird? Nein! Aggressive Länder, die ein Alleinrecht auf Heimat beanspruchen, sind jedoch niemals die Lösung. Deswegen glaube ich an Europa, trotz allem. (Günter Keil, DER STANDARD, 26.2.2014)