Facetten eines Zeitmessers: Objekt ohne Titel (2013) von Thomas Baumann.

Foto: Rudolf Strobl

Wien - An das Vergehen von Zeit möchte, so kommt es einem zumindest vor, niemand erinnert werden. Wo es geht, wird die Zeit vom Dasein entkoppelt - und damit ist nicht allein die Verjüngung unserer Art mittels Photoshop, Botox und Skalpell gemeint.

Die Zeit zu vergessen ist ein Ausdruck für allergrößtes Wohlbehagen. Schlau also, dass daher aus den zu Shoppingmalls umfunktionierten Bahnhöfen die großen Uhren getilgt wurden, dass die Zeit zu einer symbolisch weniger starken Ziffernfolge auf kleinen, digitalen Bildschirmen wird. So als ob dort, wo Zeit in Form von Uhrwerk und Ziffernblatt einen Körper bekam, dieser wieder entzogen wird. Auch dort, wo Arbeit und Leben ineinander übergehen, wird Zeit zu einer ausfransenden Größe, wirken in Stunden gemessene Arbeitsumfänge wie ein Relikt aus vergangener Epoche.

Diese Interpretationshorizonte spannen sich über die jüngsten Arbeiten Thomas Baumanns (geb. 1967): Die zerschlagenen Gehäuse großer Uhren fallen in der Galerie Krobath als Erstes ins Auge. Ein Gerippe, das seiner Funktion beraubt ist und dessen spitze Glasscherben in ihrer nüchternen Ästhetik etwas Bedrohliches, zugleich aber - in der kaleidoskopartigen Lichtbrechung - auch etwas Faszinierendes besitzen.

Für Stimmungswechsel sorgt überdies eine rotierende Lichtorgel aus computergesteuerten, farbigen Neonröhren, die an frühere, technikdominierte Arbeiten des Gironcoli-Schülers anschließt. Kernstücke der Schau sind die titelgebenden Objekte The Big Why? - zwei an Zeiger erinnernde Stäbe pendeln hin und her; verantwortlich für den Mechanismus dieser an Uhren erinnernden und klackernden Gewerke ist jeweils ein am Seil hängendes Gewicht.

Baumann hat die Zeit nicht angehalten, er hat sie nur ihrer Kraft, Zeit anzuzeigen, beraubt; er hat die genormten Einheiten getilgt. Zeit wird nun von der Schwerkraft des Seils bestimmt: Die Hierarchie von Zeit als Messeinheit von Arbeitsprozessen wird in postindustriellen bzw. postfordistischen Gesellschaftsformen gebrochen, bestätigt Kunsthistoriker Walter Seidl die anfängliche Interpretation. - Vom Metronom stetig angetrieben, aber der Zeit verlustig geworden: Diese Gesellschaftsmechanik hat Baumann in eine lebendige Skulptur verwandelt. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 27.2.2014)