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Miley Cyrus tanzt mit der Plüsch-Chanel-Bag. Das wirkliche Geschäft der großen Luxusmarken liegt im Verkauf von Handtaschen und von Schuhen, von Krawatten und von Schals.

Foto: REUTERS/Kevork Djansezian

Wann das Wort aufkam, ist aus heutiger Sicht kaum mehr zu sagen. Vielleicht war es in jenem Moment, als es die Mode von Herrn Lagerfeld plötzlich nicht mehr nur im marmornen Luxustempel zu kaufen gab, sondern auch in der mit nordischen Hölzern eingerichteten Filiale des schwedischen Kleiderdiskonters.

Vielleicht war es aber auch damals, als bei den Modeschauen in Mailand und Paris Kameras neben den Laufstegen postiert wurden und die Bilder von den neuen Kollektionen nicht mehr nur einem kleinen Kreis aus Einkäufern und Journalisten vorbehalten waren, sondern live hinaus in die große weite Welt geschickt wurden.

Oder war es doch jener Augenblick, als die Susies und Tavis und Bryans dieser Welt in ihren lustigen Blogs begannen, die neue Mode mit positiven Adjektiven und hymnischen Ausrufezeichen zu belegen?

Vom Elfenbeinturm herabgestiegen

Wie auch immer: Das große Wort von der Demokratisierung der Mode prägt den Modediskurs der vergangenen eineinhalb Jahrzehnte wie kaum eines sonst. Demokratisierung, das ist ein Wort, das allen gefällt. Es bedeutet, dass die Mode endlich von ihrem Elfenbeinturm herabgestiegen ist. Dass sie sich um alle kümmert. Für alle da ist. Das klingt ein bisschen zu schön, um wahr zu sein,

Blicken wir zurück ins Jahr 1999: Das war das Jahr, in dem einer der einschneidendsten Deals der Modebranche der vergangenen Jahrzehnte über die Bühne ging. Prada kaufte die Labels Helmut Lang und Jil Sander. Aus einer Modemarke wurde ein Modekonglomerat. Und aus hochgeachteten Designern äußerst begehrte "brands". 1999 war aber auch das Jahr, als die Budgets von Modeschauen durch die Decke gingen.

Mode im Marketingrausch

John Galliano inszenierte seine Dior-Couture-Show in Versailles, Alexander McQueens megalomane Kollektionspräsentation in New York kostete mehr als eine Million Dollar. Die Mode befand sich in einem Marketingrausch, und auch wenn es seitdem einiges Auf und Ab gab, die Dominanz der großen Konzerne und ihrer Marketingbudgets ist ungebrochen.

Seitdem beinahe all die großen Luxusmarken zu einem der Konglomerate gehören (zur Prada-Gruppe, zu Kering oder zu LVMH), geht es in der Mode nur mehr in zweiter Linie um gelungene Kollektionen. In erster Linie hingegen um (zweistellige) Umsatzsteigerungen. Und solche sind allein mit teuren Kleidern, perfekten Sakkos und gut geschnittenen Mänteln kaum zu realisieren.

Das wirkliche Geschäft liegt im Accessoirebereich, im Verkauf von Handtaschen und von Schuhen, von Krawatten und von Schals. Es liegt im Parfum-, und es liegt im Beautybereich. Einen Lippenstift von Dior und ein Parfum von Bottega Veneta kann sich bald einmal jemand leisten. Für die neue Garderobe von Dior-Designer Raf Simons oder Bottega-Mastermind Tomas Maier braucht es dagegen einen dicken Säckel.

Ausweitung der Märkte

Hinter der Rede von der Demokratisierung versteckt sich denn weniger die Beschreibung einer Egalisierung von Mode als die Ausweitung ihrer Märkte. Die Zahl der Luxuskunden ist überschaubar, jene aus der Mittelklasse hingegen riesig. "Aspirational customers" nennt man im Marketingsprech diese neue Kundschaft, die in ihrem Kleiderschrank auch gern ein Stück von Lagerfeld und in ihrem Badezimmer ein Flakon von Prada stehen haben wollen.

Um sie zu erreichen, müssen die Firmen aber andere Wege gehen, als jene, die zu den wirklichen Luxuskunden führen. In den von Securitys bewachten Einkaufstempeln in den Innenstädten fühlen sie sich unwohl, statt Vogue-Redakteurinnen vertrauen sie vielleicht eher Bloggerinnen, die auch ihre besten Freundinnen sein könnten, zur Stepptasche von Chanel kombinieren sie einen Overall von H&M, der jenem gleicht, den eine Designermarke ein paar Wochen vorher auf dem Laufsteg gezeigt hat.

Keine Frage: Luxusgüter sind in den vergangenen 15 Jahren so nah an die Kunden herangerückt wie noch nie - zumindest manche von ihnen. Mit Demokratie hat das aber herzlich wenig zu tun. (Stephan Hilpold, Rondo, DER STANDARD, 7.3. 2014)