Zombies wie hier in "The Walking Dead" haben Saison.

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Wien - Colson Whitehead zählt trotz Romanen wie John Henry Days, Der Koloß von New York oder Der letzte Sommer auf Long Island zu jenen zeitgenössischen US-Autoren, die im deutschsprachigen Raum noch immer viel zu wenig beachtet werden. Der 48-jährige studierte in Harvard, arbeitete für Musikzeitschriften wie Vibe oder Spin und The Village Voice.

Er ist wie jeder US-amerikanische Jugendliche, der Ende der 1960er-Jahre geboren wurde, nicht nur mit Popkultur und deren quietschbunter und vergnügter Zeichenwelt groß geworden. Als junger Mann gesellten sich in der Pubertät natürlich auch das Studium der damals populären Horror- und Zombiefilme. Das geschah passenderweise parallel zum beginnenden Niedergang des Pop in dessen optimistischer Prägungsform. Kurz zum Orientieren: Kriege, Ölkrise, Umweltverschmutzung, Atompilz von links, die Discobewegung als Bestandteil des kapitalistischen Ausbeutersystems, die aus kreativen Hippies zombiehafte Tänzer machte. Schon 2011 veröffentlichte Whitehead im Amerikanischen die diesbezügliche Verarbeitung seiner Jugenderlebnisse zwischen herumwankenden Toten in Endzeitszenarios.

Der Roman Zone One liegt nun mit gehöriger zeitlicher Verzögerung und möglicherweise schon nach dem Höhepunkt der neuesten Zombiewelle mit Filmen wie I Am Legend oder World War Z oder Fernsehserien wie Dead Set oder The Walking Dead endlich auch auf Deutsch vor (Hanser-Verlag, München, übersetzt von Nikolaus Stingl). Inklusive Splattereffekten, Ekelgefühlen, Beklemmung, Paranoia und des Prinzips der Hoffnung wider alle Hoffnung begnügt sich der Autor allerdings dabei nicht damit, mittels spekulativer Drastik schnelles Geld in Genreliteratur machen zu wollen.

Zwar spielt Zone One genüsslich die bestens bewährte popkulturelle Stichkarte aus, den Roman, so wie zahllose Katastrophen- und Endzeitfilme zuvor, in einem New York nach dem Weltuntergang spielen zu lassen. Immerhin ist der Autor ein Kind dieser Stadt. Colson Whitehead weiß deshalb ganz genau, wie es dort aussehen würde, wenn das Leben, wie wir es kennen, geendet hätte und nur noch wenige Überlebende zwischen den im Roman "Skels" (von "Skeleton") genannten lebenden Toten herumirren würden. Das bedrückende Ambiente wird aber immer wieder durch beißenden Humor relativiert: "New York im Tode war New York im Leben sehr ähnlich. Beispielsweise war es immer noch schwierig, ein Taxi zu kriegen."

Wie schon seit seiner grandiosen Journalismus- und Prekariatsfarce John Henry Days vor zehn Jahren verbindet Whitehead auch in Zone One geschickt traurige äußere Umstände mit launigen Detailbeobachtungen. Sein nach einem berühmten Schwimmsportler der 1970er-Jahre benannter Protagonist Mark Spitz wandelt als Mitglied eines Zombie-Aufräumkommandos in New York tatsächlich durch ein im Roman genüsslich als "Meer der Toten" bezeichnetes Stadtbild. Im Bestreben, nicht nur zu überleben, sondern ein Leben in Manhattan überhaupt wieder möglich zu machen, trifft sein Team ständig auf Überreste der alten Welt. Interessanterweise starren die hungrigen "Skels" mit ihren toten Augen auch noch im Nachleben auf dem Sofa sitzend auf Fernsehschirme oder stehen in der Hamburgerbude hinter der Grillplatte.

Dazwischen wird auf das Leben vorher zurückgeblendet. Da war alles nicht viel anders - nur mit mehr Strom aus der Steckdose. (Christian Schachinger, DER STANDARD, 7.3.2014)