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Recep Tayyip Erdogan wird mit dem Internet nicht warm.

Foto: AP Photo/Burhan Ozbilici

Istanbul - Der gegen Korruptionsvorwürfe kämpfende türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan droht mit einer Sperre von Facebook und YouTube in seinem Land. In einem Interview mit dem Fernsehsender ATV sagte Erdogan am späten Donnerstagabend, die Internetdienste würden durch seine politische Feinde missbraucht. "Wir sind entschlossen in dieser Frage", sagte er. "Wir werden dieses Land nicht auf Gedeih und Verderb YouTube und Facebook ausliefern."

Entsprechende Konsequenzen soll es laut Erdogan nach den Kommunalwahlen Ende des Monats geben. "Wir werden die notwendigen Schritte mit aller Strenge unternehmen." Auf die Frage, ob dazu auch eine Schließung der genannten Internetseiten gehören könnte, antworte er: "Das ist inbegriffen."

Mit dem Internet auf Kriegsfuß

Erdogan steht schon seit Längerem mit dem Internet auf Kriegsfuß. YouTube ließ er bereits einmal für mehrere Monate sperren, weil in einigen Videoclips der türkische Staatsgründer Atatürk beleidigt worden sein soll. Auch die Videoplattform Vimeo war vor Kurzem für 24 Stunden gesperrt worden, weil in Beiträgen Erdogans Sohn Bilal gezeigt wurde.

Im Februar nahm das Parlament einen Gesetzesvorschlag der Regierung an, der die Telekommunikationsbehörde (TIB) ermächtigt, Webseiten auch ohne richterlichen Beschluss zu blockieren. Zudem sollen Internetanbieter verpflichtet werden, Nutzerdaten für zwei Jahre zu speichern. Die Regierung argumentierte, das neue Gesetz trage zum Schutz von Persönlichkeitsrechten im Internet bei. Oppositionelle sagten dagegen, das Gesetz solle Kritik unterbinden und gebe der Regierung die Macht, willkürlich über die Sperrung von Inhalten zu entscheiden.

Gül schließt Verbot aus

Der türkische Präsident Abdullah Gül schloss ein Verbot von Facebook und YouTube aus. "Eine Schließung steht völlig außer Frage", sagte er am Freitag. Das im Februar verabschiedete Internet-Gesetz ermögliche es aber, bestimmte Inhalte auf diesen Seiten zu blockieren und damit eine Verbreitung zu verhindern, um die Privatsphäre von Personen zu schützen. Kommunikationsminister Lütfi Elvan erklärte: "Was in der wirklichen Welt eine Straftat ist, das ist auch in der virtuellen Welt eine Straftat." Beleidigungen und Verunglimpfungen des Ministerpräsidenten im Internet dürften nicht ungestraft bleiben.

Erdogan gibt Echtheit von einigen Telefonaten zu

Auf der zum US-Internetkonzern Google gehörenden Videoplattform YouTube waren zuletzt angebliche Mitschnitte von Telefonaten Erdogans veröffentlicht worden, die eine Verwicklung in Bestechung dokumentieren sollen. Der Regierungschef sprach großteils von Fälschungen, die Teil einer Kampagne seien, um ihn zu diskreditieren und seine Regierung zu stürzen. Bei manchen Telefonmitschnitten räumte er aber die Authentizität der Gespräche ein. Als Drahtzieher beschuldigt Erdogan seinen Rivalen, den in den USA lebenden Geistlichen Fethullah Gülen. Auf die Frage, ob die Türkei über Interpol eine Auslieferung Gülens beantragen könnte, entgegnete der Ministerpräsident in dem Interview: "Warum nicht?"

Am 17. Dezember waren erstmals Korruptionsvorwürfe aufgetaucht und mehrere enge Vertraute Erdogans festgenommen worden. Mehrere Minister mussten daraufhin zurücktreten. Erdogan selbst bezeichnete die Vorwürfe immer wieder als ausländische Verschwörung und als "Putschversuch".

Der islamisch-konservative Regierungschef kündigte überdies an, bei einer Niederlage seiner Partei AKP bei der Kommunalwahl zurückzutreten. Nach derzeitigen Umfragen ist die Position der AKP als stärkste politische Kraft im Land allerdings trotz des Skandals nicht gefährdet. (red/Reuters/APA, derStandard.at, 7.3.2014)