Es ist fast andächtig still in dem hellen Sitzungssaal 134 mit seiner hohen Decke im Münchner Justizpalast. Eine Art respektvollen Wartens herrscht. Um 9 Uhr 24 betritt Uli Hoeneß den Raum, umrahmt von seinen drei Verteidigern. Mit gerötetem Kopf bemüht er sich um Smalltalk mit Hauptverteidiger Hanns W. Feigen.

Der wegen Steuerhinterziehung angeklagte Präsident des FC Bayern München blickt fest in das Dutzend Kameras mit ihrem tausendfachen Klicken. Lange Minuten geht das so, doch noch ahnt das Publikum nicht, dass es kurz vor der vielleicht spektakulärsten Wende in diesem Steuerfall steht.

Denn Hoeneß gesteht von sich aus, dass er nicht nur die von der Staatsanwaltschaft angeklagte Summe von 3,55 Millionen Euro in der Schweiz an Steuern hinterzogen hat, sondern 18,55 Mio. Euro.

Fast nebenbei gibt der gewiefte Steueranwalt Feigen diese Summe preis. In einer kurzen Erklärung sagt er: "Wir sitzen alle hier, weil Uli Hoeneß Selbstanzeige eingereicht hat." Es gehe um dessen "vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit". Dann sagt Feigen, dass es nach Auswertung der Auskünfte von Hoeneß' Bank weiter "15 Millionen Euro Hinterziehungsbetrag" gebe. Zuerst weiß keiner diese völlig überraschende Aussage so richtig einzuschätzen.

Hoeneß setzt sich daraufhin die Brille auf und liest eine Erklärung weitgehend ab: "Hohes Gericht", sagt er, "ich habe Steuern hinterzogen." Er reißt kurz seine verschiedenen Investitionen und Spekulationen in der Schweiz an.

Er wolle nun alles auf den Tisch legen. Ihm sei klar, "dass mir nur absolute Steuerehrlichkeit nutzt". Er sagt auch: "Ich bin aber kein Sozialschmarotzer, ich habe fünf Millionen an soziale Einrichtungen gegeben, 50 Millionen Steuern gezahlt. Ich will damit nicht angeben, ich will nur reinen Tisch machen."

Massive Zockereien

Es ist ein Geständnis, das die Staatsanwaltschaft erst einmal ziemlich sprachlos machen muss. Denn es werden hier weitere massive Zockereinnahmen offenbart, von denen sie bis vor zwei Wochen nichts gewusst hat. Erst vor zehn Tagen hat das Hoeneß-Lager dieses Ergebnis von seiner Schweizer Vontobel-Bank erhalten und an Gericht und Anklage weitergeleitet. Da war der Anklagesatz schon lange fertiggestellt gewesen. In diesem geht Staatsanwalt Achim von Engel noch davon aus, dass Hoeneß' zu versteuernde Einkünfte aus den Jahren 2003 bis 2009 bei 33,5 Millionen Euro gelegen hätten und er damit knapp 3,5 Millionen Euro dem Fiskus vorenthalten hat. Zudem habe Hoeneß zu Unrecht Verlustvorträge über 5,5 Millionen Euro erhalten. Die Anklage sieht dies als Steuerhinterziehung in sieben Fällen.

Der Vorsitzende Richter Rupert Heindl konfrontiert Hoeneß mit harten, bohrenden Fragen - etwa warum er nie auch nur eine Abrechnung von der Bank Vontobel angenommen habe? Hoeneß sagt, ein enger Freund von ihm habe dort die Anlageabteilung geleitet, dem habe er alles überlassen. Er habe mit der Bank nur seine Käufe und Verkäufe telefonisch abgewickelt, 50.000 Vorgänge seien dies in diesen Jahren gewesen.

Doch Heindl bohrt nach: Warum hat Hoeneß dann in Deutschland ganz ähnliche Anlagen getätigt beim Bankhaus Reuschel, da aber jeden Beleg akribisch aufbewahrt? Weil dies versteuert werden musste, darauf will der Richter hinaus. Und weil, im Umkehrschluss, Hoeneß bei den Schweizer Geschäften womöglich nie daran gedacht habe, sie auch zu versteuern.

Heute, Dienstag, werden die ersten Zeugen gehört. Ob das Urteil angesichts der neuen Entwicklungen - wie geplant - schon am Donnerstag fällt, ist offen. Auf jeden Fall werde diese neue, hohe Summe im Urteil berücksichtigt werden, sagt Gerichtssprecherin Andrea Titz. (Patrick Guyton aus München, DER STANDARD, 11.3.2014)