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In Poland fordern Frauenaktivistinnen seit Jahren die Entflechtung zwischen katholischer Kirche und Politik. Auf dem Schild, aufgenommen bei einer Frauenrechtsdemo im März 2012 in Warschau, ist zu lesen: "Ich fordere den Umbau der erzbischöflichen Paläste in Abtreibungskliniken".

Foto: REUTERS/AGENCJA GAZETA

Warschau/Prenzlau - Ihr Weg ins ostdeutsche Prenzlau ist weit: Ungewollt schwangere Frauen kommen aus den polnischen Städten Krakau, Bialystok oder Danzig und wollen eine Behandlung bei Janusz Rudzinski. Im vergangenen Jahr hat der polnische Arzt, der am Krankenhaus Prenzlau arbeitet, rund 1.000 Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen.

Jährlich rund 150.000 illegale Abtreibungen

"Die Tendenz ist steigend", sagt der Mediziner. "In Polen muss eine Lösung des Problems gefunden werden." Die Verzweiflung der Frauen, die bei Rudzinski Hilfe suchen, ist groß - und doch sind sie bei weitem besser dran als rund 150.000 andere Polinnen, die jährlich eine illegale Abtreibung vornehmen lassen. Wer das Geld hat, fährt in eine Klinik in Österreich oder Deutschland, der Slowakei oder den Niederlanden. Den anderen bleibt nur ein illegaler Schwangerschaftsabbruch in Polen, mit gesundheitlichem Risiko und der Angst vor dem Gesetz.

Abbruch nur eingeschränkt erlaubt

Nur 500 bis 600 Schwangerschaften im Jahr werden in Polen offiziell abgebrochen - nach einer Vergewaltigung, bei Gefahr für das Leben der Schwangeren oder schwerer Schädigung des Fötus ist es erlaubt. Doch selbst im Fall eines schwerstbehinderten Kindes haben viele ÄrztInnen nicht den Mut, die legale Abtreibung vorzunehmen, kritisieren Frauenrechtlerinnen in Polen. Die betroffenen Frauen müssen oft von ÄrztIn zu ÄrztIn ziehen - bis es womöglich zu spät ist und sie nach Erreichen der 25. Schwangerschaftswoche nicht mehr abtreiben dürfen.

"Viele Ärzte haben Angst und fürchten den Druck der Kirche", sagt Romuald Debski, Leiter einer Frauenklinik in Warschau. Auch er war schon mit Protestaktionen von AbtreibungsgegnerInnen konfrontiert, die KlinikmitarbeiterInnen und schwangeren Frauen anklagend Großaufnahmen von Embyronen entgegenstrecken.

Laut und sichtbar sind die AbtreibungsgegnerInnen auch auf den "Märschen für das Leben und die Familie". Im vergangenen Jahr scheiterte ein BürgerInnenbegehren, das die Abtreibung aus medizinischer Indikation unter Strafe stellen sollte. Ein Abgeordneter der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) erregte vor zwei Jahren Aufsehen mit der Forderung, vergewaltigte Frauen sollten im Falle einer Schwangerschaft nicht abtreiben.

Gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen ÄrztInnen und Patientinnen

"Der Arzt darf nicht helfen", beschreibt Rudzinski das Dilemma in Polen. Gehe eine Schwangere zum Arzt, wisse sie nicht, ob sie zu ihm Vertrauen haben könne. Der Arzt wiederum könne sich nicht sicher sein, ob die Frau das Gespräch nicht vielleicht aufzeichne und der Staatsanwaltschaft übergebe. "So schweigen sie im Zimmer und schreiben sich Zettel", sagt Rudzinski. Danach vernichte der Arzt die Zettel, damit es keine Beweise gebe. "Es besteht kein Vertrauen zwischen Patientin und Arzt. Das ist eine Katastrophe." Der Arzt habe Angst vor der Patientin und diese vor dem Arzt. Nur ab und zu gebe es ein vertrauensvolles Verhältnis.

Viele Schwangere, die kein Kind wollen, griffen daher zu Medikamenten, um die Schwangerschaft zu beenden. Anwendungsfehler seien keine Seltenheit. Die Frauen bekämen dann Blutungen und glaubten, das sei schon der Abbruch. "Doch dann stellen sie fest, der Bauch wächst", sagt der Arzt. Das Kind könne durch einen missglückten medikamentösen Abbruch Schäden davontragen. "Das ist ein großes Problem." Von den Frauen, die bei ihm Hilfe suchen, hätten etwa drei Viertel zuvor auf so ein Medikament gesetzt. Manchmal handle es sich auch um ein nachgemachtes Präparat vom Schwarzmarkt.

Erfahrungsaustausch im Netz

Dass der Arzt im grenznahen Prenzlau (Brandenburg) speziell Polinnen behandelt, erfahren die meisten Betroffenen über das Internet. Anonym werden in Foren Erfahrungen mit Medikamenten und Kosten illegaler Abtreibungen ausgetauscht - es gibt aber auch immer wieder den Rat zur Reise ins Ausland. Zu ihm kämen Studentinnen, Schülerinnen, auch Schauspielerinnen und Journalistinnen, sagt Rudzinski. Eine psychologische Beratung zuvor sei notwendig. Eine Abtreibung in Prenzlau kostet 450 Euro. "Das müssen die Betroffenen selbst bezahlen."

Für Rudzinski ist klar: "In der Verantwortung sind in Polen der Staat und die katholische Kirche." (Steffi Prutean, Eva Krafczyk/dpa, 10.03.2014)