Nein, diese Fliege namens Prosoeca führt keinen Strohhalm mit sich, ihr Rüssel ist bloß besonders lang, weshalb sie laut Biologen auch einen evolutionären Vorteil hat.

Foto: Uni Wien

Schmetterlinge haben ihren langen Rüssel aufgespult.

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Fliegen dagegen klappen ihr riesiges Sauggerät unter ihren Körper.

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Für ein paar Wochen im Jahr verwandelt sich die südafrikanische Wüstenregion Namaqualand in einen blühenden Garten. Das Schauspiel zieht nicht nur Touristen aus aller Welt an, sondern auch die Fliegengattung Prosoeca, die einen Gutteil der bunten Blüten bestäubt. Bis jetzt wusste man über diese Insekten sehr wenig, es gab auch kaum Fotos. Wiener Forscher haben nun mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF mehr Klarheit über die mysteriösen Sechsbeiner gebracht.

Viele der Pflanzen, die den Blütenteppich bilden, haben lange, schmale Kelche mit jeder Menge Nektar an der Basis. Die meisten Insekten gelangen aber nicht an diesen reich gedeckten Tisch, weil ihre Mundwerkzeuge einfach zu kurz sind. Nicht so bei Prosoeca: Die rund zwei Zentimeter großen Fliegen haben einen Saugrüssel, der bis zu vier Zentimeter misst. Sie sind daher die exklusiven Bestäuber für viele Pflanzenarten.

Florian Karolyi vom Department für Integrative Biologie der Universität Wien hat sich im Rahmen eines von Harald Krenn geleiteten FWF-Projekts nicht nur die Mundwerkzeuge von Prosoeca genauer angesehen, sondern auch die Fliegen in ihrem Lebensraum untersucht. Sie spielen eine große Rolle als Bestäuber. Der Biologe machte sich also zur Blütezeit nach Namaqualand auf und filmte an fünf verschiedenen Standorten die Aktivitäten von Prosoeca an Lapeirousia, einer intensiv violett blühenden Pflanze, die ausschließlich von den langrüsseligen Fliegen bestäubt wird. "Sowohl die Länge der Kelche als auch der Rüssel variiert zwischen verschiedenen Populationen deutlich", betont Karolyi. "Es handelt sich offenbar um lokale Anpassungen aneinander."

Lange Zeit beim Trinken

Eigentlich hätte der Biologe erwartet, dass Fliegen mit längerem Rüssel mehr Zeit brauchen, um diesen in die Blüte zu führen bzw. wieder herauszuziehen, doch das bestätigte sich nicht. Die Zeitspanne aber, die die Insekten damit verbrachten, Nektar aufzusaugen, verhielt sich proportional zur Rüssellänge. Trinken die langrüsseligen Fliegen in derselben Zeit also mehr Nektar als andere oder brauchen sie nur länger für dieselbe Nektarmenge?

"Prinzipiell ist Nektar umso interessanter für Insekten, je höher sein Zuckergehalt ist", sagt Karolyi, "aber je höher die Konzentration, desto dickflüssiger wird er. Die Fliegen haben dann dasselbe Problem, das wir hätten, wenn wir Honig mit einem Strohhalm aufsaugen wollten."

Mithilfe von computertomografischen Aufnahmen, die am Department für Theoretische Biologie der Universität Wien gemacht wurden, erstellte Karolyi 3-D-Rekonstruktionen der Kopfmuskulatur und der Mundwerkzeuge und konnte dabei feststellen, dass die Rüssel der Fliegen im Vergleich zu denen anderer nektarsaugender Insekten einen großen Querschnitt haben. Zusätzlich ist auch die Saugpumpe im Kopf bei langrüsseligen Fliegen vergrößert. Beides erlaubt auch bei großen Rüssellängen eine effiziente Nektaraufnahme.

"Wir gehen davon aus, dass Tiere mit längerem Rüssel deshalb mehr Zeit an den einzelnen Blüten verbringen, weil sie mehr Nektar aufnehmen", fasst Karolyi zusammen, "womit sie einen evolutionären Vorteil gegenüber Insekten mit kürzerem Rüssel haben."

Der Nektar selbst enthält bei Pflanzen mit tiefen Blütenkelchen wie Lapeirousia nur 20 bis 30 Prozent Zucker. Laut mathematischen Modellen sollten die Fliegen, die ständig auf Futtersuche sind und dabei sehr rasch fliegen, Pflanzen mit einem Zuckergehalt von 30 bis 50 Prozent bevorzugen, um ihren Energiebedarf zu decken.

Dass sie das in der Praxis nicht tun, dürfte damit zu tun haben, dass beide - Pflanzen und Insekten - in einem sehr trockenen Klima leben: Der stärker verdünnte Nektar bleibt auch bei hoher Verdunstung noch flüssig.

Nektarsaugende Schmetterlinge stehen vor demselben Dilemma: Auch sie müssen die Nektaraufnahme möglichst effizient gestalten und wählen daher Pflanzen, die eine möglichst optimale Nektarzusammensetzung bieten. Julia Bauder, ebenfalls vom Department für Integrative Biologie der Uni Wien, untersuchte im Rahmen desselben Projektes rund 12.000 Kilometer entfernt die extrem langrüsselige Schmetterlingsart Eurybia lycisca an der Forschungsstation La Gamba in Costa Rica.

Aufgespulter Rüssel

Die Insekten sind rund zwei Zentimeter groß und haben einen vier bis fünf Zentimeter langen, sehr dünnen Rüssel, was sie zu den Rekordhaltern unter den Schmetterlingen macht. Im Unterschied zu den Fliegen jedoch, die ihre Mundwerkzeuge die ganze Zeit ausgeklappt tragen, liegt der Rüssel bei Faltern aufgespult unter dem Kopf und wird erst bei Bedarf ausgerollt.

Auch Bauder betrat mit ihrer Forschung Neuland: Weder die Morphologie noch das Verhalten von Eurybia lycisca waren bis dahin untersucht worden. Wie sie feststellen konnte, verbringen auch Eurybia-Exemplare mehr Zeit an einer Blüte als andere Schmetterlinge mit kürzeren Rüsseln. Licht- und elektronenmikroskopische Untersuchungen sowie Röntgenaufnahmen ergaben, dass auch sie über einen größeren Nahrungskanal verfügen und über mehr Muskulatur, um die vergrößerte "Saugpumpe" zu betreiben.

Bauder geht ebenfalls davon aus, dass die Schmetterlinge in dieser Zeit mehr Nektar aufnehmen und nicht etwa nur angestrengt, aber mit vergleichsweise wenig Ergebnis saugen. Definitiv aufräumen konnte die Biologin dank ihrer Arbeiten mit der bisherigen Einschätzung der Beziehung zwischen Eurybia und ihrer bevorzugten Futterpflanze, Calathea crotalifera. Deren Blüten verfügen über einen Auslösemechanismus, der einem Blütenbesucher gleichzeitig den Weg zum Nektar freigibt und ihm ein Pollenpaket quasi anheftet.

Wie Bauder feststellen konnte, lösen die Schmetterlinge diesen jedoch nicht aus: Vielmehr fädeln sie ihren langen Rüssel geschickt daran vorbei und saugen den Nektar auf, ohne etwas dafür zu leisten. Damit ist klar, dass Eurybia nicht, wie bisher angenommen, als Bestäuber von Calathea fungiert. Immer schon bekannt war, dass die Raupen von Eurybia an den Blütengeweben der Pflanze fressen.

Da nun klar ist, dass auch die Erwachsenen keine Gegenleistung für den Nektar erbringen, zieht Bauder eindeutige Schlüsse: "Die Schmetterlinge parasitieren an den Pflanzen." (Susanne Strnadl, DER STANDARD, 12.3.2014)