Rudi Nemeczek (59) ist Kopf der wieder aktiven Wiener Band Minisex. Der heute erfolgreiche Werber weiß um die Wirkung von Katzen. 

Foto: Philipp Horak

Wien - Den meisten Österreichern dürfte Rudi Nemeczek heute in zweiter Linie bekannt sein. Immerhin hat er es vor einigen Jahren als einer der erfolgreichsten Kreativdirektoren des Landes geschafft, aus dem emotional eher unzugänglichen Skifahrer Hermann Maier eine sympathische Werbefigur unter dem Giebelkreuz zu machen. Hermann Maier lächelt mittlerweile sogar freiwillig - und er spricht freundlich und voller Liebe zu den Menschen: "Nur eine Bank ist meine Bank."

Werbung verheißt ein Leben in der Wohlfühlzone. Und die Kunst der einfachen, klaren Botschaften kommt nicht von heute auf morgen. Dafür muss man am besten schon vorgestern zu trainieren beginnen. Lange bevor Rudi Nemeczek Ende der 1980er-Jahre das Handtuch warf und von der Popmusik in die Werbung wechselte (ein kleiner Schritt), gründete er 1978 erst einmal Minisex.

Berühmter als Persil

In den Tiefen des Wiener Bezirks Favoriten, der eigentlich eher flach und fad ist, dessen Bewohner aber gern reden, als ob gleich die Watschen fliegen würden, berief er sich mit wechselnden Mitstreitern auf Einflüsse aus dem Punk und der New Wave. Hart, schnell, laut. Kehliger Gesang. Rechts der Berg, links die Schlucht. Über mir der Himmel so blau, blau, blau.

Böse Stimmen behaupten allerdings auch, dass die Band damals zu untalentiert war, um mit nur zwei Händen pro Mann Frank Zappas Umgreifer-Jazzrock mit g'scherten englischen Texten nachspielen zu können. Deshalb kamen die fröhlichen Dilettanten des Punk damals gerade recht. Außerdem musste man nicht umständlich Englisch lernen, Muttersprache reichte auch, um das Lebensgefühl der jungen Leute in Wien treffend zu kommentieren: "Ich hab' Angst, ich hab' Angst, Paranoia schleicht sich an", tönt es auf dem legendären Blutrausch-Sampler von 1979, dem ersten Tondokument von Minisex, auf dem etwa auch Chuzpe, die Mordbuben AG und Drahdiwaberl noch mit Falco am Bass vertreten sind. Die drei darauf enthaltenen Minisex-Lieder, vor allem Valium, zeigen die Band noch roh, kräftig und trotz ihres damals reifen Punk-Alters von Mitte 20 jugendlich frisch. Der damalige Reibebaum hieß Austropop. Dessen Selbstgefälligkeit und Selbstmitleid musste kräftiger Nihilismus auf rumpelnder Kinderliedbasis entgegengesetzt werden.

Ab 1980 veröffentlichten Minisex dann eigene Platten. Ab 1982 kam auf dem hauseigenen Schallter-Label der Durchbruch in Österreich mit dem Album Bikini Atoll und Hits wie Ich fahre mit dem Auto ("Alles geht so schnell") und Du kleiner Spion.

Dieser großen Zeit von Minisex in Österreich, die Nemeczek im Vorprogramm Falcos auch in ländliche Mehrzweckhallen und nach Deutschland führte, folgten weitere Charts-Erfolge wie Heiße Spur, Eismeer und Rudi gib acht. Minisex konnten oder wollten die harten Anforderungen des Geschäfts und eine zunehmende Hinwendung Richtung deutscher Schlager nicht stemmen.

Im Wesentlichen war 1984 mit dem Album AYO kreativ Schluss. Nach Jahren mit Hermann Maier kommt nun dank des Erfolgs der 2010 veröffentlichten Werkschau Maximum Minisex also ein spätes neues Album. Minisex haben trotz einiger Runden im Oldies-Livezirkus der letzten Jahre mit den elf Liedern von Reduziert (Monkey/Hoanzl) den Anschluss ans Jetzt geschafft.

Rudi Nemeczek hat mit knapp 60 Jahren eine souveräne Altersgelassenheit entwickelt, die in den Texten den heutigen Beruf keineswegs verleugnen will. In einem neuen Lied heißt es: "Wir haben immer nur ein Ziel, berühmter werden als Persil."

Produziert hat Christopher Just, der in den 1990er-Jahren mit dem Wiener Duo Ilsa Gold ein Austropop-affiner und auf Loveparades geeichter Spaßtechno-Gott war. Er legt im Verein mit reifen Kollegen wie Patrick Pulsinger und Gerhard Potuznik darunter reduzierten und eingängigen Synthesizerpop, der auch nicht darauf vergisst, dass der Wäsche bei aller fasertiefen Reinheit manchmal ein Grauschleier guttut.

Ein schönes Comeback. Hermann Maier brachte das Leben nach den Charts einmal so auf den Punkt: "Ich genieße, dass jetzt keine Zeit mehr mitläuft." (Christian Schachinger, DER STANDARD, 13.3.2014)