Wenn Reisen das halbe Leben sind, sind die zugehörigen Taxifahrten ein Viertel des Lebens. Und damit die unausweichlich diesen Taxifahrten zugehörigen Fahrer. Ich kann mittlerweile auf eine stolze Reihe wertvoller und weniger wertvoller Vertreter dieses Gewerbes zurückblicken, die mein Leben, nun, wenn schon nicht bereichert, so doch auf eine Art und Weise belebt haben. Jedenfalls meinen Blutdruck.

Das ist nicht einmal verwerflich. Nach Flugreisen ist man oft matt, abgeschlagen und dankbar dafür, eine erfrischende Röte ins Gesicht gezaubert zu bekommen. Neben der Untergattung des Wiener Taxlers, der das Äquivalent eines Wiener Kellners auf Rädern darstellt, gab es dann auch sehr gutgelaunte Herren, die mir ein breites Lächeln und eine ganz neue Seite der Stadt zeigten, indem sie abenteuerlichste Verlängerungsvariationen in unsere an sich einfache Reiseroute einbauten.

Das war manchmal wirklich keine Absicht, sondern der Exotik der Stadt geschuldet, und eröffnete viele neue Spielvarianten: Wir rätselten gemeinsam darüber, wie wir aus der vertrackten Einbahn, die mit dem Ziel der Fahrt nicht einmal ansatzweise etwas gemein hatte und die fälschlicherweise angesteuert wurde, wieder herauskämen und wie es nun wohl weiterginge. Eine Odyssee zu zweit quasi.

Die Laune des Fahrers stieg proportional zur Zeitspanne dieser Odyssee, da wir nach dem Millionenshow-Prinzip spielten - je weiter er kam, desto mehr konnte er einkassieren. Während meine auf den Tiefpunkt absank. War der Koffer auch noch fest versperrt im Kofferraum, wurde die Situation gänzlich unausweichlich, da einer Flucht mit ausdrucksstarkem Türenknallen der Verlust des Gepäcks unlohnend gegenüberstand.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die nicht bestellte, aber prompt gelieferte politische Weiterbildung: Ich versuche, Musik zu hören, der Fahrer versucht, mir seine Weltsicht aufzudrängen. Aber da kann man sich auch täuschen. Manchmal. Letztens kam das Gesprächsthema schnell auf die EU - und der Fahrer zog alle Register. Alle Strache-Programmpunkte wurden Stück für Stück abgehakt. Wir da unten, die da oben. Check. Die miesen Pleitestaaten. Check. Wir zahlen nur ein, kriegen nichts raus. Check. Ausstieg sofort ist möglich. Check. Böse Ausländer. Check. Die Ostküste und ihre Allmacht. Check. Und die Bilderberger.

Ich wartete nur noch darauf, dass er sich endlich als FPÖ-Wähler outen würde. Da sagte er unvermittelt: "Ich arbeite für einen Russen. Der ist auch total gegen die EU." Ich sah ihn aufmerksam an. "Er ist für Putin." Mein Gesicht verfinsterte sich, er reagierte situationselastisch: "Würde ich auch nie machen." Dramatische Pause folgte. "Ich bin nämlich für Stalin." (Julya Rabinowich, Album, DER STANDARD, 15./16.3.2014)